Die Duftnäherin
einteilte, trat Gawin von hinten an ihn heran.
»So ist’s recht. Die anderen arbeiten lassen und selbst nur zusehen, was?«
Hanno fuhr herum.
»Gawin! Was machst du denn hier? Musst du nicht arbeiten?«
»Ich musste etwas ausliefern und bin auf dem Rückweg zur Werkstatt. Und du? Wirbst die Jungen hier an?«
»Ganz recht.«
»Pass nur auf, dass die Stadtoberen dich nicht dabei erwischen. Sonst kannst du gleich wieder abgeben, was du und die Buben bislang verdient haben.«
»Was bleibt mir denn anderes übrig? Mit irgendetwas muss ich mir doch mein Brot verdienen.«
»Dann komm doch mit mir in die Werkstatt. Wir können gar nicht so schnell und so viel schaffen, wie Aufträge reinkommen.«
»Aber dein Jordan bezahlt nicht wirklich gut.«
»Das stimmt, aber dafür ist es ehrliche Arbeit, mit der du dir Ansehen erwirbst, anstatt dir Ärger einzuhandeln.«
Hanno sah in die erwartungsvollen Augen der Jungen, die sich um ihn geschart hatten.
»Ich denk drüber nach. Und jetzt sieh zu, dass du zu deinem Meister zurückkommst, bevor du am Ende noch Schwierigkeiten bekommst.«
»Dann also bis später bei Margrite.«
Hanno machte eine Handbewegung, als ziehe er einen Hut vor Gawin. Der schmunzelte und wandte sich ans Gehen.
Das nächste Schiff lief ein. Hanno gab seinen kleinen Helfern ein Zeichen und trat zielstrebig an die Kaimauer, um seinen neuen Auftraggeber in Bremen willkommen zu heißen.
Kaum dass Gawin die Werkstatt betreten hatte, hörte er Jordan wie so oft laut vor sich hin schimpfen.
»Was ist geschehen, Meister?«
»Ah! Diese Kuttenträger. Nichts als dumme Gedanken im Kopf.«
»Ich verstehe nicht.«
Der Zimmermann legte die Feile beiseite, mit der er gerade die Kanten einer Bank bearbeitet hatte. »Ein Priester war hier in der Werkstatt und hat nach dir gefragt. Hab ihm gesagt, dass du nicht da bist.«
»Ein Priester? Was hat er denn gesagt?«
»Irgendetwas vom Bischof. Der will, dass du eine Madonna für den Dom schnitzt. Hab ihn fortgeschickt.«
»Eine Madonna? Ich?«
»Ich habe ihm ja gesagt, dass das Unsinn ist. Du fertigst Stühle und Bänke, Schränke und Treppen. Und damit Schluss.«
»Aber …«
»Nichts aber. Du bist hier Lehrjunge und kein Bildhauer. Entweder du machst die Arbeit, die ich dir gebe, oder du kannst dich schleichen und sehen, wer dir eine Anstellung gibt.«
»Natürlich, Meister.«
»Und sag deiner Schwester von mir, dass sie gefälligst ihr vorlautes Mundwerk zu halten hat.« Er funkelte Gawin wütend an.
»Meiner Schwester?«
»Ganz recht. Als ich den Priester fragte, wie er darauf käme, dass du solche Arbeiten verrichten könntest, sagte er, dass deine Schwester dies einem der Ratsherren erzählt hat.«
»Aber, meine Schwester kennt hier gar keinen Ratsherren.«
»Weiß der Himmel, was sie unternommen hat, um sich bei einem von ihnen Gehör zu verschaffen.« Damit war das Gespräch für Jordan beendet, und er widmete sich wieder seiner Arbeit. Doch seine Bemerkung über Anna wollte Gawin für den Rest des Tages nicht mehr aus dem Kopf gehen, so dass er entgegengesetzt zu sonst den Feierabend herbeisehnte, um sie auf ihre Verbindung zu jenem Ratsherrn anzusprechen.
Anna saß in ihrer Kammer vor dem Fenster, um das immer schwächer werdende Tageslicht zu nutzen, und nähte an einem Gewand. Am Mittag war sie bei Siegbert von Goossen gewesen und hatte ihm drei ihrer Kleider gezeigt, die sie aus feinstem Tuch gearbeitet und mit der Seifennaht versehen hatte. Glücklich hatte sie seine Lobesworte entgegengenommen, die er ihr nicht nur aus großväterlichem Stolz heraus gezollt hatte, sondern vielmehr aus der Sicht eines Geschäftsmannes, der wusste, was sich gut verkaufen ließ und was nicht. Sogleich hatte er ihr versichert, nach einer passenden Gelegenheit zu suchen, bei der sie ihre Kleider in angemessenem Rahmen den reichen Kundinnen präsentieren könnte. Denn Damen von Stand, so hatte er ihr erklärt, würden zu jeder Zeit wie solche behandelt werden wollen, ganz gleich ob es dabei um den Kauf eines Kleides oder um die ihnen gebührenden Ehrenbezeugungen auf einem Fest ging. Deshalb bestand er auch darauf, ihr eine geeignete Räumlichkeit für den Verkauf ihrer Kleider zu besorgen. Ihren Einwand, dass sie sich dies nicht leisten könne, wischte er mit einer Handbewegung fort, als ob er eine lästige Fliege vom Tisch verscheuchte.
Einen Großteil des Nachmittags hatte sie bei ihm verbracht, und die Stunden waren aufs angenehmste verflogen. Er hatte
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