Die Duftnäherin
Büttel zu.
»Jeder Beauftragte der Stadt ist mir in meinem Hause willkommen! Nun sagt mir, was Euer Begehr ist.«
»Es tut uns leid, doch wir sollen Euren Enkel abholen. Gewiss ist es ein Missverständnis, doch wir haben unsere Befehle.«
»Und genau die sollt Ihr auch ausführen, guter Mann. Ich habe Vertrauen in die Entscheidungen und Anweisungen des Rates. Wie könnte ich diesem ansonsten schon seit Jahrzehnten angehören?«
»Habt Dank für Euer Verständnis.«
»Doch muss ich Euch enttäuschen. Mein Enkel ist nicht da.«
»Und wo ist er?«
»Ich werde gern nach ihm suchen lassen, und wenn Ihr möchtet, könnt Ihr auch gern eintreten und einen Blick in das Innere eines jeden Zimmers werfen. Meine Männer werden es Euch nicht verwehren.« Er sah seine Wachleute an, die zum Zeichen, dass sie seinen Befehl verstanden hatten, nickten.
Der Büttel sah seinen Gefährten an und wiederholte dann seine Frage. »Wisst Ihr denn, wo wir Euren Enkel finden können?«
»Nun, ich habe durchaus die ein oder andere Vermutung, wo er stecken könnte, und werde meine Leute gerne nach ihm mit der Bitte ausschicken, er möge sich so schnell wie möglich hier einfinden. Noch vor dem Abend, da bin ich mir sicher, werde ich dann gemeinsam mit ihm im Rathaus vorstellig werden.«
»Mit Verlaub, Ratsherr von Goossen, aber wir haben klaren Befehl, ihn unverzüglich in Gewahrsam zu nehmen. Der Vorwurf, der sich gegen ihn richtet, ist ein ernster. Wir werden wohl kaum darauf warten können, dass er sich im Rathaus einfindet, sobald es seine Zeit erlaubt.« Die Stimme des Büttels klang ein wenig spöttisch. »Was nicht bedeuten soll, dass wir nicht glauben, er würde nicht selbst und aus freien Stücken dorthin kommen«, fügte er schnell hinzu.
»Dann«, Siegbert hob die Arme, als wäre er völlig ratlos, »werde ich Euch wohl nicht helfen können. Gawin könnte überall und nirgends stecken, wie Männer seines Alters es eben zu tun pflegen.«
Die Büttel sahen sich an, unschlüssig, was sie hierauf sagen und vor allem tun sollten.
»Ich habe Euch in eine schwierige Lage gebracht, ich weiß. Verzeiht einem alten Mann.« Jovial breitete er nochmals die Arme aus. »Doch möchte ich Euch nochmals bitten, durch die Zimmer meines Hauses zu gehen und Euch selbst davon zu überzeugen, dass mein großväterliches Herz nicht über das des Ratsherrn siegt und ich meinen Enkel entgegen meiner Pflicht als Bürger dieser Stadt zu schützen versuche.«
Wieder wechselten die Büttel einen Blick, dann schien die Entscheidung gefallen zu sein. »Wir danken Euch, Ratsherr von Goossen, für Eure freundliche Einladung. Doch leider erlaubt es unser Befehl nicht, weitere Zeit zu vergeuden. Könnte Euer Enkel sich in der Werkstatt seines verstorbenen Meisters aufhalten?«
»Das ist sehr gut möglich, denn er ist sehr pflichtbewusst, auch wenn ihm der Schreck über dessen plötzlichen Tod noch tief in den Gliedern steckt. Aber wenn Ihr selbst nachsehen wollt. Ich hingegen werde meine Männer in die Schänken schicken. Dort dürfte er heute, meiner eigenen Einschätzung nach, eher zu finden sein.«
Die Büttel wandten sich zum Gehen. »Bitte richtet Eurem Enkel in jedem Fall aus, dass seine Anwesenheit im Rathaus unabdingbar und dringlich ist.«
»Das versteht sich von selbst«, versicherte Siegbert und begleitete die Männer noch bis zur Tür. Doch kaum hatte sich diese hinter den beiden geschlossen, atmete er auch schon laut vernehmlich aus.
Die Haushälterin trat sogleich wieder aus der Küche heraus. »Was ist denn um Himmels willen heute hier los?«
»Zu viel, als es in Kürze in Worte fassen zu können, Gertrud. Schnell, geh nach oben und kümmere dich um die arme Esther. Und lass nach einem Boten schicken, der noch heute mit dem schnellsten Pferd, das sich auftreiben lässt, und einer Nachricht an den Kaufmann Wyland Gross nach Köln aufbricht.«
»Ja, Herr! Und mit welcher Nachricht?«
»Das wird dir Esther sagen. Und nun eil dich, bevor noch etwas geschieht, was unser Einschreiten erfordert.«
Sie nickte und rannte rasch die Treppen hinauf. Noch bevor sie die Tür zu Esthers Zimmer geöffnet hatte, hörte sie diese drinnen ein inbrünstiges Gebet sprechen. Leise klopfte sie an und trat ein.
Immer wieder blieb Siegbert stehen, um sicherzustellen, dass ihm auch wirklich niemand folgte. Obwohl er nach außen hin gelassen wirkte, war er innerlich angespannt und ruhelos. So viele Jahre hatte er darauf hingearbeitet, ein ruhiges und
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