Die Duftnäherin
zuhören wollte, müssen wir dafür sorgen, dass sich das ändert. Was würdest du sagen, wenn ich dir erzählte, dass ich zwei Juden dabei beobachtet habe, wie sie Reliquien aus dem Dom gestohlen und danach zerstört haben?«
Der Patrizier öffnete den Mund und hielt ihn sich dann entsetzt mit beiden Händen zu, um keinen Schrei von sich zu geben.
»Eine Hostienschändung?« Er sprach so leise, dass er kaum mehr zu verstehen war. »Hast du das mit deinen eigenen Augen gesehen?«
Helme zögerte. »Nein«, gab er dann einfach zu. »Aber die Frage ist doch, was geschehen würde, wenn ich es erzählte.«
Sein Gastgeber ging mit unsicheren Schritten zu seinem Stuhl zurück. Seine Gedanken überschlugen sich. Ein solcher Frevel würde das Todesurteil für die Beschuldigten nach sich ziehen. Wollte er tatsächlich so weit gehen?
Er öffnete mehrfach den Mund, brachte jedoch kein Wort heraus. Zu ungeheuerlich schien ihm das Ausmaß dessen zu sein, was hier beim Würzwein besprochen wurde.
Helme trat an das Schreibpult heran. »Denk darüber nach. Ich werde jetzt in meine Kammer gehen und mich schlafen legen. Du kannst mich wecken, wenn du zu einer Entscheidung gelangt bist. Und sei es auch mitten in der Nacht.«
Egidius griff nach seinem Arm. »Warte!« Seine Augen bewegten sich eilig auf der Suche nach einem Punkt, den sie fixieren konnten. Dann blickte er Helme direkt an. »Ich brauche nicht weiter darüber nachzudenken. Erzähl mir, was genau du vorhast.«
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24 . Kapitel
I ch sag dir, dein großes Herz wird eines Tages noch dein Ruin sein.« Gutmütig tätschelte Anderlin Margrites Wange.
Die winkte jedoch nur verlegen ab und meinte: »Ach was! Sie werden hart dafür arbeiten müssen, verlass dich drauf.«
»Ist schon gut so, Gritchen.«
»Du sollst mich nicht so nennen!«
»Seit wann hast du etwas dagegen?«
»Es könnte jemand hören und sich denken, dass wir allzu vertraut miteinander sind.«
»Aber das sind wir doch auch«, meinte Anderlin und musste unwillkürlich grinsen.
»Aber nicht auf die Art.« Sie stieß ihm spielerisch gegen die Brust. »Ach, du weißt genau, wie ich’s meine.«
Margrite wandte sich ab und bezog ihr Bett mit einem frischen Leinentuch. »Ich kann’s kaum erwarten, mich hineinzulegen und bis weit in den Tag hinein zu schlafen.«
»Verdient hast du es dir«, urteilte ihr Begleiter. »Kann ich mein Bettzeug hier ins Zimmer bringen?«
Sie sah ihn verwundert an. »Na sicher. Das haben wir doch immer so gemacht.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Wenn du schon nicht mehr willst, dass ich dich Gritchen nenne, könnte es ja auch sein, dass dir
das
erst recht nicht mehr genehm ist.«
Sie ging zu ihm und nahm ihn wie selbstverständlich in den Arm. »Anderlin, du bist und bleibst ein dummer Kerl. Aber es gibt keinen, mit dem ich mir die Kammer lieber teilen würde als mit dir.«
Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und betrachtete sie dabei eingehend. Älter war sie geworden, und die kleinen Falten um ihre Augen herum zeugten von so mancher Sorge. Doch hatte er auch den Eindruck, dass die Beklemmung, die über viele Jahre hinweg ihr steter Begleiter gewesen war, mit der Zeit nachgelassen hatte. Es gab niemanden, dem er so sehr wie Margrite wünschte, seinen Frieden mit sich und dem Herrn machen zu können und denjenigen verzeihen zu lernen, die ihr das Unverzeihliche angetan hatten.
Seitdem die Handelsgeschäfte und die Seifensiederei gut liefen, verzichtete Margrite darauf den Männern beizuliegen. Es bekam ihr gut, wie Anderlin fand, und es war auch gut zu wissen, dass sie es nicht mehr nötig hatte, für ein paar Münzen die Beine breit zu machen. Zu Beginn ihrer Bekanntschaft hatte auch er dafür bezahlt, sich in ihren prallen Brüsten vergraben zu dürfen. Und ein ums andere Mal waren sie sich auch hier in der Kammer näher gekommen. Stets hatte er sie danach dafür bezahlt, weil er meinte, sie erwarte dies von ihm. Und selbst jetzt, wo er so nah vor ihr stand und zärtlich ihr Gesicht berührte, überkam ihn der sehnliche Wunsch, sie an sich zu ziehen und zärtlich mit ihr zusammenzuliegen. Der Gedanke jedoch, dass es für Margrite nicht mehr als ein Geschäft sein könnte, ließ ihn einen Schritt zurückweichen.
»Was ist?« Sie hatte die Veränderung in seinem Gesicht bemerkt.
»Nichts«, log er rasch. »Ich habe nur Hunger. Was glaubst du, ob die gute Agnes uns inzwischen etwas zubereitet hat?«
»Du kennst doch Agnes. Lock sie mit ein paar Münzen, und sie
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