Die Duftnäherin
und wollen uns nun etwas Eigenes aufbauen.«
»Verstehe. Wenngleich es nicht besonders geschickt war, ohne Geld in die neue Heimat aufzubrechen.«
»Aber wir hatten Geld.« Anna brach ab und überlegte sich, ob sie von dem Geschehen im Kloster etwas preisgeben sollte. »Man hat es uns gestohlen.«
Margrite machte eine bedauernde Geste. »Nun seid ihr ja hier und könnt euch etwas verdienen.«
»Anderlin hat meinem Bruder angeboten, mit ihm die Zimmermänner zu besuchen. Vielleicht braucht einer von ihnen einen Lehrjungen.«
»Oder zumindest einen Zuarbeiter«, versuchte Margrite die Hoffnungen der Jüngeren zu dämpfen. »Nicht jeder, der hier arbeiten will, kann mit einer dauerhaften Beschäftigung rechnen.«
Anna lächelte wissend. »Wenn der Meister sieht, was Gawin kann, wird er ihn so lange wie möglich bei sich behalten wollen.«
»Ist er denn so gut?«
»Nicht nur gut. Er ist der Beste.«
»Am besten lässt du mich erst einmal sprechen«, ordnete Anderlin an. »Der alte Jordan ist nämlich manchmal ein bisschen eigen.«
Gawin nickte schweigend und trat hinter ihm in die Werkstatt des Zimmer- und Tischlermeisters ein, in der die Luft mit Holzstaub versetzt war. Überall standen Hölzer verschiedenster Größe und Sorte, fertige, teils verzierte Schränke, eine Bank und ein großer Tisch, dessen Oberfläche zum Schutz vor Beschädigungen mit einem Tuch abgedeckt war. Aus einem angrenzenden Raum hörte man Arbeitsgeräusche.
»Jordan!«, rief Anderlin laut und trat bis in die Mitte der Werkstatt vor.
Die Laute im Nebenraum verstummten, und ein Mann, der Gawin schon uralt zu sein schien, trat unter die Tür.
Dünn war der Zimmermann geworden, fand Anderlin, und alt. Die Falten in seinem Gesicht schienen noch tiefer geworden zu sein seit ihrer letzten Begegnung, die nur wenige Monate zurücklag.
»Anderlin? Ich wusste gar nicht, dass du wieder in Bremen bist.« Der Alte kam zu ihnen herüber und reichte Anderlin die Hand.
»Erst seit gestern. Und ich habe dir auch gleich jemanden von unterwegs mitgebracht.« Er deutete auf Gawin.
»Ich will keinen haben, den du aufgelesen hast.« Der Zimmermann verzog sein Gesicht.
Anderlin lachte kehlig auf. »Ich hab ihn nicht aufgelesen. Er ist geschickt im Umgang mit Holz und sucht eine Anstellung.«
»Ich brauche niemand.«
»Aber alter Freund.« Anderlin legte ihm in einer vertrauten Geste den Arm um die Schultern, was Jordan noch schmächtiger und zerbrechlicher wirken ließ. »Wenn ich mich hier so umsehe, würde dir ein bisschen Hilfe ganz guttun. Man munkelt schon, du könntest deinen vielen Aufträgen nicht mehr nachkommen.«
Der Alte schnaubte vor Wut. »Ich verrichte immer noch jede Arbeit, die anfällt.« Er fuchtelte mit dem Finger vor Anderlins Gesicht herum. »Wer etwas anderes behauptet, ist ein Lügner. Und nur weil vielleicht mal einer ein wenig länger warten muss, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht mehr schnell genug arbeite.«
»Aber, aber, das weiß ich doch. Nichtsdestotrotz könntest du mehr schaffen, wenn du jemanden hättest, der dir zur Hand geht. Und dieser junge Bursche hier ist geschickt und fleißig.«
»Fleißig!« Der Alte spuckte verächtlich auf den Boden. »Die Burschen wissen heutzutage doch gar nicht mehr, was das bedeutet. Sie lungern nur faul herum und gaffen jedem Rock hinterdrein. Die paar Münzen, die sie verdienen, lassen sie bei den Huren oder besaufen sich dermaßen, dass sie am nächsten Tag kaum von der Pritsche hochkommen.«
Anderlin packte Gawin bei den Schultern und schob ihn vor sich, so dass dieser nun direkt vor Jordan zu stehen kam. »Sieh ihn dir an«, forderte er den Zimmermann auf. »Er will arbeiten und ist sich für keine Arbeit zu schade. Genau wie du damals, als der alte Ortlieb dir hier eine Lehrstelle gegeben hat. So ist es zumindest in ganz Bremen bekannt. Nun mach schon, Jordan, gib deinem Herzen einen Stoß.«
Der Zimmermann fuchtelte wieder mit seinem Finger herum, doch diesmal vor Gawins Gesicht. »Schon viele hab ich hier kommen und gehen sehen. Und keiner von ihnen hat was getaugt.« Sein Rücken war schon so krumm, dass er zu dem Jüngeren aufsehen musste. Ganz nah kam er mit seinem Gesicht an Gawin heran und blickte ihm lange in die Augen. Dann wandte er sich mit einem Ruck zu Anderlin. »Nur eine Verfehlung von dem Burschen, und ich schmeiß ihn raus, und du bist mir außerdem persönlich für ihn verantwortlich.«
Wohlwollend klopfte Anderlin ihm auf den Rücken. »Wusste
Weitere Kostenlose Bücher