Die Duftnäherin
letzten Tagen beobachten musste. Das lenkt meine Gedanken ab.«
In Egidius’ Gesicht, das soeben noch eine erhitzte Röte gezeigt hatte, kehrte langsam wieder die gewohnte Blässe zurück. Er überlegte sich, ob er auf Helmes Bemerkung eingehen sollte. Viel lieber wollte er über die Weiber sprechen, die Helme zu gefallen vermochten. Oder war es am Ende gar nicht das weibliche, sondern das männliche Geschlecht, das ihn anzog? Das kleine Schauspiel mit der Magd schien seinen Gast jedenfalls nicht ganz kaltgelassen zu haben. Oder gehörte er womöglich zu der Kategorie Mann, die es zu Haus ausschließlich dem eigenen Weib besorgten? Schon allein der Gedanke war Egidius widerlich. Unwillkürlich zeichnete sich vor seinem geistigen Auge das Bild seiner eigenen Frau ab. Nicht im Traum dachte er daran, die alte Natter noch zu besteigen. Die Mitgift, die ihr Vater damals für sie gezahlt hatte, war üppig und dennoch schon nach einem Ehejahr aufgebraucht gewesen. Sein Bruder Cornelius hatte ihm bereits damals vorgeworfen, nicht mit Geld umgehen zu können. Doch das stimmte nicht, in vielen Fällen war es einfach nur Pech gewesen, dass ihm die Münzen durch die Finger glitten. Die Schuld dafür einzig und allein bei ihm zu sehen war absurd. Doch Cornelius und er waren schon von Kindesbeinen an so verschieden gewesen, wie zwei Menschen es nur sein konnten. Niemand, der sie sah oder sprechen hörte, hätte die Vermutung gehabt, dass sie ein und demselben Leib entstammten. Cornelius war der Jüngere und vom Glück Verwöhnte. Was er auch anfasste, verwandelte sich in Gold. Doch eines Tages, da war Egidius sich sicher, würde der Herr seine Gunst Cornelius wieder entziehen und ihm nehmen, was er ihm zuvor jahrein, jahraus geschenkt hatte. Es grämte Egidius, dass seine Eltern diesen Tag nicht mehr erleben würden. Selbst auf dem Sterbebett, nur ein Jahr nach dem Tod des Vaters, hatte seine Mutter ihn noch gedemütigt, indem sie ihm geraten hatte, dass er sich ein bisschen mehr an seinem Bruder orientieren solle, um so sein Glück zu machen. Die Bemerkung hatte ihn weit mehr geschmerzt, als er zugeben wollte. Und als es darum gegangen war, den Nachlass anzutreten, hatte es ihn mit Genugtuung erfüllt, dass es ihm als dem Älteren zustand, das elterliche Erbe zwischen ihnen aufzuteilen. Doch selbst hier hatte ihm sein jüngerer Bruder noch einen Strich durch die Rechnung gemacht, indem er überheblich gemeint hatte, nichts von dem Erbe haben zu wollen, da Egidius das Geld sowieso viel nötiger brauche als er. Von diesem Tage an hatte sich der Hass in seiner Brust zu einem Flächenbrand ausgeweitet, der nie wieder erloschen war. Doch irgendwann, dessen war er sich sicher, würde sein Bruder noch vor ihm kriechen und ihn, den Älteren, um Hilfe anbetteln müssen. Und dann würde er seinen Triumph genießen.
»Bist du mir etwa gram deswegen?«
Helmes Stimme riss Egidius aus seinen Gedanken.
»Ehm, nein, natürlich nicht.« Seine Hand hatte sich um den Weinbecher gekrampft. Nun stellte er ihn auf den Tisch und bedeutete Helme mit einer Handbewegung weiterzusprechen.
»Du wolltest mir berichten, was dich so nachdenklich gemacht hat, dass du nicht einmal mehr Augen für die Weiber hast.«
Helme musterte ihn nachdenklich. Er kannte seinen Gastgeber noch nicht lange genug, um zu wissen, was hinter dessen Stirn vor sich ging. Doch er meinte, kurz zuvor Wut in den Augen seines Gegenübers aufflackern gesehen zu haben. Wogegen sich diese richtete, konnte er nur vermuten.
»Ich habe mich ein bisschen umgehört und beunruhigende Nachrichten für dich.«
»Was sollte mich wohl beunruhigen können?« Egidius setzte einen selbstgefälligen Blick auf, den Helme schon öfter an ihm wahrgenommen hatte. Er wusste, dass Egidius’ sicheres Auftreten nur gespielt war, und beschloss deshalb, seinem Jagdinstinkt zu vertrauen. Vor sich hatte er ein Tier, das nicht wusste, ob ihm Gefahr drohte und ob es besser fliehen oder noch abwarten sollte.
»Egidius, auch wenn wir uns noch nicht lange kennen, bist du mir doch zum Freund geworden. Ich will nicht, dass irgendein dahergelaufenes Pack deinen Ruf ruiniert.«
Der andere richtete sich in seinem Stuhl auf. »Wer spricht schlecht über mich?« Zornesröte bedeckte seine Wangen.
»Es sind nur Gerüchte, doch du weißt selbst, wie schnell einem Derartiges zum Nachteil gereichen kann.«
»Was für Gerüchte?«
Helme zögerte. Er hatte den Köder ausgeworfen und beobachtete seine Beute nun ganz
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