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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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nicht sofort eingreifst, lasse ich dich im tiefsten Kerkerloch einsperren, das in Köln zu finden ist!«
    Der Büttel verharrte noch einen Augenblick, löste sich dann aber aus seiner Erstarrung und stieß seinen Nebenmann an.
    »Komm schon!«
    Wyland drehte sich zu den Ratsherren um und bedeutete ihnen durch ein Kopfnicken ihm zu folgen. Entschieden bahnte er sich seinen Weg durch die Menge, bis er direkt vor dem Mann auf dem Podest stand.
    »Im Namen des Rates der Stadt Köln verhafte ich Euch. Bedeckt Eure Blöße und folgt den Bütteln. Sofort!« Eilig drehte er sich zu der Frau um. »Und du! Wenn du noch eines dieser Lämmer anrührst oder auch nur einen Schritt zu nah an das Feuer drängst, um es hineinzuwerfen, stoße ich dich persönlich hinterher!« Seine Augen funkelten wütend und entschlossen. Die Alte blieb wie angewurzelt stehen.
    Der Nackte ging jedoch zum Angriff über. »Sind die Dämonen etwa bereits mit Euch, Ratsherr?« Die Hände zum Gebet gefaltet, ging er auf dem Baumstumpf in die Knie. »Lasst mich für Euch den Herrn anflehen, den Teufel aus Eurer Seele zu vertreiben! Ich bitte Euch! Sonst ist die Hölle nah!«
    Bei seinen letzten Worten bekreuzigte er sich eilig, einige der Bürger taten es ihm gleich.
    Der Patrizier überlegte kurz, ob er darauf etwas erwidern sollte. Doch er wusste, dass, je heftiger er sich gegen den Verdacht, der Teufel wäre bereits sein Begleiter, wehren würde, auch das Misstrauen derer anwachsen könnte, bei denen der Prediger und das Schauspiel schon erste Zweifel gesät hatten.
    »Was soll das hier eigentlich werden?«
    Einer der Ratsherren war an Wylands Seite getreten. Wyland kannte ihn nur flüchtig, es war der Gewürzhändler Egidius Nürnberger.
    »Hoher Herr!«, antwortete der Kerl auf dem Podest. »Wir haben sie gesehen.« Er rieb sich zitternd die Augen, bemüht, seine Tränen zurückzuhalten. »All die Menschen, die dem Tode geweiht sind. Hilflos mussten wir mit ansehen, wie der Teufel sich mit glühenden Augen über die Sterbenden beugte und unsittlich über ihre Körper strich. Lustvoll lief dem Höllenfürsten der Speichel hinab und tropfte auf ihre Leiber. Die Sterbenden«, er schluckte, bevor er die nächsten Worte stockend herausbrachte, »die Sterbenden schrien vor Angst und Schmerz«, vollendete er den Satz. »Mein Weib, meine Brüder und ich«, er deutete mit dem ausgestreckten Arm auf die Alte und die Männer, die um das Feuer herumgetanzt waren, »versteckten uns im hintersten Winkel der Scheune und beobachteten alles. Gott allein schützte uns davor, entdeckt zu werden.« Er atmete tief ein und stieß einen heulenden Laut aus. »Und dann sagte er es!«
    »Was?«, fragte der Ratsherr Egidius ungehalten. »Wer hat was gesagt?«
    »Der Teufel!«, schrie der Nackte heraus. »Der Teufel sagte den Sterbenden, warum Gott sie verlassen und ihm überlassen hat.«
    Ein Raunen ging durch die Menge. Ganz still verharrten die Menschen und warteten gespannt auf eine nachfolgende Erklärung.
    Der Nackte richtete sich auf, vollführte eine Halbdrehung und wies mit dem ausgestreckten Arm zum Dom hinüber. »Gott verließ die Menschen, weil sie die Ungläubigen in ihrer Mitte duldeten. Dreckige, todbringende Juden!« Die letzten Worte schrie er unter Tränen hinaus. Dann brach er kraftlos zusammen und fiel von dem Baumstumpf auf den Boden, wo er reglos liegen blieb.

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    26 . Kapitel
    D er Eifer, mit dem Gawin seine Arbeit verrichtete, brachte den alten Jordan zum Staunen. Aber er sagte nichts. Seiner Erfahrung nach tat es einem Burschen von Gawins Alter nicht gut, allzu viel Lob zu bekommen. In der einen Woche, die er ihn nun beschäftigte, hatte sich der Junge bewährt. Zwar wies er ihn des Öfteren zurecht, weil er selbst an den einfachsten Arbeiten stets die ein oder andere Schnitzerei als Verzierung anbrachte, was viel zu viel Zeit kostete. Doch musste er gleichermaßen zugeben, dass es ihm gefiel, wie sehr der Bursche in der Bearbeitung des Holzes aufging. Er würde es noch zu etwas bringen, wenn er sich nicht ablenken ließ. Doch für den Moment war dies nicht zu befürchten. Sein neuer Arbeiter lebte noch mit seiner Schwester zusammen und war erst vor kurzem in Bremen angekommen. Wenn er nicht an die falschen Leute geriet, könnte er seine Lebensumstände festigen und es im Holzhandwerk noch weit bringen. Der alte Zimmermann zahlte Gawin so wenig, dass er wohl kaum auf üble Gedanken kommen konnte. Dass er für diesen nebenbei immer noch ein paar

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