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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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jetzt nichts geschah, was die Aufmerksamkeit der Patrizier von ihm ablenkte, wäre es zu spät, und er würde aus der Stadt gejagt werden, ohne seine Situation nachhaltig verbessert zu haben. Dabei hatte er sich an das gute Leben hier gewöhnt und wollte es auf keinen Fall wieder aufgeben. Wohin auch immer die Sache mit den Juden führte, ihm würde sie im besten Fall zum Bleiben verhelfen und im schlechtesten ein unbemerktes Verschwinden ermöglichen. Die sich immer weiter ausbreitende Pest half ihm dabei, die Angst unter den Menschen zu schüren. Die Möglichkeit, sich selbst mit ihr anzustecken, schloss er aus. Er war in all den Jahren noch kein einziges Mal krank gewesen. Und an einen Zusammenhang zwischen persönlicher Schuld und der Krankheit als Strafe glaubte er sowieso nicht, hatte er doch noch niemals die Folgen für eine seiner Taten tragen müssen, zumal ihm bislang auch noch keiner auf die Schliche gekommen war. Sein ganzes Leben lang war er denjenigen, die ihm mit moralischen Vorhaltungen gekommen waren oder ihn gar zur Verantwortung hatten ziehen wollen, mit Verachtung begegnet. Er tat, was er wollte und mit wem er es wollte. Und das ganz einfach, weil er stark, schlau und unbesiegbar war. Ihm würden weder die Pest noch sonst irgendwer beikommen.
    Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Grinsen, als er beobachtete, wie eine Frau vor dem Brunnen auf die Knie sank und laut zu wehklagen begann. Die Tränen liefen ihr die Wangen hinab, während sie verzweifelt aufschluchzte.
    Zwei Männer traten von hinten an sie heran, packten sie unter den Armen und zogen sie hoch. Sie hing mehr, als sie stand, zwischen ihnen, schaute flehend gen Himmel und begann laut zu beten.
    Der Mann auf dem Brunnen erhob erneut seine Stimme, spie Verwünschungen und Flüche aus, verkündete die bevorstehende Bestrafung aller, die nicht zur sofortigen Umkehr bereit waren, und verfluchte die Dämonen, die schon von so vielen Bürgern Besitz ergriffen hatten.
    »Dir scheint zu gefallen, was du siehst.«
    Egidius war unbemerkt an Helmes Seite getreten.
    »Es kann nur richtig sein, wenn die Kölner endlich erkennen, dass der Abschaum aus der Stadt gejagt werden muss.«
    »Wie recht du hast.« Egidius’ Stimme klang angespannt. »Doch hoffentlich bringt uns das auch tatsächlich unseren Zielen näher.«
    »Deinen Zielen«, korrigierte ihn Helme. »Es ist wichtig, dass niemand auf den Gedanken kommt, dass ich ebenfalls einen Vorteil aus der Vertreibung der Juden ziehen könnte. Denn das würde meine Glaubwürdigkeit schwächen.«
    »Du hast schon wieder recht.« Egidius rieb sich das Kinn und betrachtete das Schauspiel, das sich am Brunnen abspielte. »Wir sollten dich da raushalten.«
    Helme versuchte, seinen Worten einen beiläufigen Klang zu verleihen. »Hast du Nachricht erhalten, ob Albrechts Bote mittlerweile zurück ist?« Er sah Egidius an. Einen Moment lang glaubte er, Unsicherheit im Gesicht seines Gegenübers auszumachen. »Mir wäre einfach wohler, wenn ich endlich mein eigenes Geld hierhätte und meine Schulden bei dir begleichen könnte.«
    Der Patrizier schien nach den richtigen Worten zu suchen. Helme wurde unruhig. War man ihm bereits auf die Schliche gekommen? Egidius wandte seinen Blick wieder dem Geschehen am Brunnen zu.
    »Ich habe noch nichts gehört.«
    Für Helme klangen seine Worte nach einer Lüge. Sollte er nachfragen oder die Sache lieber auf sich beruhen lassen, um keinen Verdacht zu erregen?
    In diesem Moment liefen zwei Stadtbüttel auf die Menschentraube zu.
    »Ihr habt keine Erlaubnis, hier öffentlich etwas auszurufen«, rief einer von ihnen, bevor sie sich ihren Weg zu dem Rädelsführer durch die Menge hindurchbahnten.
    »Steigt sofort von dem Brunnen herunter und kommt mit uns!« Die Körpersprache des Büttels ließ keinen Zweifel daran, dass er den Redner, sollte dieser sich weigern, eigenhändig von dort oben herunterholen würde.
    »Betet zu Gott, dass Ihr nicht vom Herrn dafür gestraft werdet, dass Ihr mich mit Gewalt daran hindert, die Wahrheit zu verkünden.«
    »Du verkündest hier gar nichts mehr«, stellte der Büttel mit befehlsgewohnter Stimme klar. »Komm jetzt da runter, oder ich mach dir Beine!«
    Der Hetzer sank in sich zusammen und kauerte sich auf dem Brunnenrand nieder, wo er weiterhin etwas vom Teufel und seinen Dämonen vor sich hin murmelte, die sich der Seelen der Kölner bemächtigen würden. Es waren seine letzten Worte, bevor ihn die Büttel packten, vom Brunnenrand

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