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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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Zeichen, zur Mühle zu kommen.
    Wie lange ist er jetzt drinnen?, flüsterte der jüngere Bonadurer.
    Weiß nicht, sagte der Ältere. Er hatte kein großes Vertrauen zu Rimmel. Der erzählte so manches, was kaum zu glauben war. Aber schlimmstenfalls, dachte Hansmartin, würden sie eben unverrichteter Dinge wieder umkehren. Ohne Reis und ohne Geld.
    Hast du was gesehen?, fragte Hans.
    Nein.
    Vielleicht haben wir es übersehen, vielleicht hat er uns längst ein Zeichen gegeben.
    Das glaube ich nicht, sagte der ältere Bonadurer.
    Wie will er überhaupt wissen, fragte Hans unruhig, ob wir sein Zeichen sehen oder nicht?
    Wenn wir nicht kommen, wird er es schon merken und uns nochmals ein Zeichen geben. Außerdem können wir es nicht übersehen. Ein Licht in der Nacht ist nicht zu übersehen.
    Plötzlich war Gelächter zu hören, dann laute Frauen-stimmen.
    Was ist da los?, flüsterte Hans. Ich habe gedacht, in der Mühle sind nur der Müller und die Magd. Wer ist das bei der Haustür?
    Weiß ich doch auch nicht.
    War das der Knecht?
    Der Knecht schläft im Stall.
    Bist du sicher?
    Ich bin doch kein Hellseher.
    Lass uns rübergehen!, sagte Hans. Ich will wissen, was da los ist.
    Damit sie uns im Mondlicht mitten auf der Wiese sehen? Jetzt hab doch Geduld!, sagte der ältere Bonadurer und behielt die Mühle im Auge.
    18 Das Glas ist leer, sagte Rimmel vorwurfsvoll. Seine Augen wanderten nach oben, die Lider flatterten. Wenn er getrunken hatte, schaute jedes seiner Augen in eine andere Richtung. Er saß am Tisch in der Stube der Mühle und versuchte, den Blick bei dem flackernden Licht zu halten.
    Es sei Schlafenszeit, antwortete der Müller, Rimmel solle sich nun langsam auf den Weg machen.
    Michel Blum, wie der Müller genannt wurde, war ein wohlgenährter junger Mann aus Lindau, der eigentlich Franz Heini hieß und einen gemütlichen Eindruck machte.
    Ich will ein Pfund Reis kaufen, sagte Rimmel.
    Kein Reis da, antwortete der Müller und gähnte.
    Du wirst doch wohl Reis in der Mühle haben?, fragte Rimmel ungläubig.
    Der ist weg, lachte der Müller, als hätte er einen besonders guten Witz erzählt. Was er, ohne es zu wissen, auch getan hatte. Allerdings einen schlechten, wie der Tiroler fand.
    Wieso weg?
    Die Köchin der Albertinis aus Paspels hat mir einen guten Preis geboten und gleich den ganzen Sack gekauft.
    Aber –, sagte Rimmel, verdrehte die Augen und flatterte mit den Lidern, du hast doch sicher mehr als einen Sack Reis in der Mühle.
    Nein, da war nur noch dieser Sack. Aber in zwei oder drei Wochen kommt eine neue Lieferung aus Italien.
    Kein Reis?
    Leider nicht, alles verkauft.
    Kein Reis, dachte Rimmel. Dafür mehr Geld in der Mühle, das ist sogar besser.
    Dann solle er ihm halt noch einen Branntwein einschenken und sich selber auch einen, und auch den beiden Weibern, auf seine Kosten, sagte Rimmel.
    Der Müller saß neben seiner Magd auf der Ofenbank. Annemarie Gartmann aus Valens, ein hübsches Ding von zweiundzwanzig Jahren. Die andere Frau, Franziska Giesser aus Dornbirn, war bis zum Frühling die Magd des Müllers gewesen. Sie saß in einigem Abstand zu Rimmel am äußeren Ende des Tisches. Dass sie ausgerechnet an diesem Abend zu Besuch war, passte ihm gar nicht.
    Schnaps gebe es nur noch, wenn er mehr Geld auf den Tisch legen könne, sagte der Müller.
    Rimmel wollte etwas erwidern, seine Augen drehten sich nach links oben, die Lider flatterten, der Mund öffnete und schloss sich einige Male, ohne dass ihm ein Wort über die Lippen kam. Er hatte kein Geld mehr. Der Batzen, den er mitgebracht hatte, wärmte nun als Zwetschgenwasser seinen Magen. Rimmel hielt das kleine Fläschchen mit der Faust umschlossen. Wie sollte er den anderen heimlich das Mittel verabreichen, wenn sie nichts trinken wollten? Er sah das dunkle Fensterviereck in der Wand. Hinter den Scheiben war die schwarze Nacht. Wenn das hier nicht klappte, hatte er die Brüder wahrscheinlich das letzte Mal zu etwas überredet. Er musste die Dinge zügig vorantreiben.
    Der Müller erhob sich von der Ofenbank, kam zum Tisch herüber, drückte den Korken tiefer in den Flaschenhals und stellte die fast leere Flasche in den Wandschrank. Er drehte den Schlüssel um und ließ ihn in der Hosentasche verschwinden.
    Dann halt ein Glas Wasser, lallte Rimmel fordernd und knallte das leere Glas auf den Tisch.
    Draußen ist der Brunnen, antwortete der Müller gähnend.
    Eines der Weiber wird mir wohl ein bisschen Wasser holen, lallte Rimmel.
    Franziska

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