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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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rief ebenso überrascht: Der Linus? Ja jetzt! Heilandsack! Ist denn das! Das ist doch! Jessas! Der Linus!
    Toni Seglias, der Knecht der Hostetterschen Viehhandlung, ein kleiner drahtiger Mann, der sein Leben lang bei ihnen gearbeitet hatte, schüttelte Hostetter die Hand und wollte nicht aufhören damit. Dann wandte er sich Rauch zu, der annähernd doppelt so groß war, und blickte zu ihm hinauf: Der Karli! Wie der gewachsen ist. Jetzt reicht es dann bald!
    Und so ging das weiter, ein Hin und Her und ein Hallo, mit dem Vater, der von den Stimmen aus dem Haus gelockt wurde, mit dem älteren Bruder, endlich mit der Mutter, die Tränen vergoss, seit Wochen hatte sie ihren jüngsten Sohn erwartet, aber Reisen und Pünktlichkeit gingen nun mal nicht zusammen, so viele Tränen vergoss sie nun, im Stall, dann beim Frühstück, das zu Ehren der heimgekehrten wackeren Burschen an diesem Vormittag wiederholt wurde (zur großen Freude von Rauch, oder war das jetzt schon das Mittagessen gewesen?). Als ihre Augen trocken waren, gab sie mehrere Hinweise auf dringend erforderliche Wäsche (der Heimkehrer und ihrer Kleidungsstücke), was in der allgemeinen Aufregung leider unterging. Einen halben Vormittag später hatten sie erst das Allerwichtigste erzählen können und die beiden schweren Lederbeutel demonstrativ auf den Tisch plumpsen lassen, als Toni Seglias die unvorbereitete Familienfeier unterbrach: Der Baron ist da!
    26 Baron von Mont erschien mit einer Delegation in der Viehhandlung Hostetter. Dazu gehörten ein Landjäger, der Gefängnisknecht und Ratsherr Otto (mit der ledernen Mappe unter dem Arm). Nach kurzen, höflichen Nachfragen zur Rückkehr des jüngsten Sohnes und des Neffen von Hufschmied Mohn wandte man sich dem eigentlichen Zweck des Besuches zu, den beiden Rappen, die im Stall standen.
    Das Gespann war von der Viehhandlung Hostetter eigens für das Amt des Verhörrichters aus dem Badischen eingeführt worden. Sie stammten von einem Züchter, der das Blut seiner Pferde mit einem englischen Hackneyhengst auffrischte, was Temperament, Schnelligkeit und einen imposanten Gang hervorbrachte. Die schwarzlackierte Karosse war von einem Berner Wagenbauer angefertigt worden, etwas schmaler als üblich, aber stark gefedert, um sie für die schlechten Straßen Graubündens tauglicher zu machen. Sie bestand aus einem vergitterten hinteren Abteil (für Delinquenten) und einem vorderen Abteil mit einer gepolsterten Bank. Ein Gespann, wie es in Graubünden kein zweites gab. Nachdem Hostetters Vater bestätigt hatte, dass alles bereit sei und nur noch eingespannt werden müsse, bat der Baron um Hilfe bei der Überführung des Gespanns zum Sennhof.
    Landjäger Venzin, der im Lenken eines Zweispänners von einigem Temperament versiert war, wie der Baron ausführte, befand sich zur Zeit leider auf den Spuren von zwei Weibern und einem falschen Arzt, die rheinabwärts auf der Flucht vor der Justiz waren.
    Natürlich helfen wir, sagte Linus Hostetter schnell, wir haben überhaupt nichts zu tun, nicht wahr, Karli? Das machen wir selbstverständlich gern für den Herrn Direktor.
    Mein Sohn, dachte Hostetters Vater. Immer noch der gleiche, nutzt jede Gelegenheit, sich auf den Kutschbock zu schwingen und die Zügel in die Hand zu nehmen; das ist Weihnachten für ihn. Deshalb sagte er: Die Geschirre sind in der Kammer, die neuen englischen.
    Soldat Rauch!, rief Hostetter, hol das Putzzeug.
    Ich sehe schon, bemerkte der Baron zufrieden, die Angelegenheit ist in guten Händen. Majoleth und Heiri, ihr könnt gleich zurück, eure Hilfe wird nicht mehr benötigt. Wir werden in Kürze in den Hof einfahren. Heiri soll zur Begrüßung etwas Heu aufschütteln und ein paar Rüben aus dem Keller holen.
    Der Landjäger und der Knecht quittierten den Befehl – Verstanden, Herr Direktor! – und gingen hinaus.
    Während der Baron mit Ratsherr Otto und Vater Hostetter ins Haus ging, um das Geschäft zu besiegeln, bereiteten Hostetter und Rauch das Gespann vor. Sie führten die Pferde auf den gepflasterten Gang, striegelten sie, bürsteten Mähne und Schweif, kratzten den Mist aus den Hufen und schmierten diese mit Fett ein. Sie holten die Geschirre aus der Kammer, streiften sie den Pferden über und stellten die Riemen auf die richtige Größe ein. Bevor das Gespann abfahrbereit war, traten die anderen wieder aus dem Haus. Die Mutter verteilte kleine Gläser aus einem Korb an die Männer. So war das Sitte in der Viehhandlung Hostetter. Das Geschäft

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