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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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Der Herr Direktor will euch sehen!, brüllte er, trat beiseite und ließ den Baron hineinblicken.
    Zwei Männer saßen auf der nackten Holzpritsche, die Rücken an die Mauer gelehnt, die Köpfe zur Zellentür gedreht, die Blicke missmutig, fast finster. Sie befolgten den Befehl, erhoben sich und nahmen Haltung an. Der Größere stieß mit dem Kopf beinahe an die Decke.
    Namen?
    Hostetter, Linus und Rauch, Karl, sagte Hostetter.
    Woher kommt ihr?
    Wir sind von hier, Herr Direktor. Dass wir zu Hause so unfreundlich empfangen werden –
    Wo habt ihr gedient?, unterbrach er ihn.
    In der königlich-niederländischen Armee, im Regiment von Oberst Jakob von Sprecher.
    Ihr seid nachts wie Diebe in die Stadt eingedrungen.
    Wir wollten schnell nach Hause und haben den Weg genommen, den alle nehmen, wenn das Tor geschlossen ist, auf den Nussbaum und über die Mauer. Das haben wir schon als Kinder so gemacht.
    Damit seid ihr direkt im Gefängnis gelandet. Könnt ihr euch überhaupt ausweisen?
    Wenn man uns nicht alles weggenommen hätte.
    Der Baron blickte fragend zum Wachtmeister, der neben ihm stand und ebenfalls zugehört hatte, und forderte ihn auf, nachzusehen. Wachtmeister Caviezel eilte in die Wachstube und kam mit den Papieren zurück. Der Baron faltete sie auseinander und las das Transitschreiben. Dann forderte er den Wachtmeister auf, die Zellentür aufzuschließen.
    Ist er nur groß, sagte der Baron zu Rauch, oder kann er auch reden?
    Ja, auch reden, antwortete dieser ernsthaft, ohne auf die Ironie der Frage einzugehen.
    Mit so viel Sold in der Tasche hättet ihr dem Nachtwächter das Aufschließen zahlen können.
    Ich wollte zahlen, sagte Rauch.
    Mein ganzes Leben lang, sagte Hostetter, habe ich noch nie etwas dafür zahlen müssen, Herr Direktor.
    Dann wird es jetzt das erste Mal sein, sagte der Baron. Gesetze werden nicht zum Spaß geschrieben. Es ist keine geringe Arbeit, sie aufzustellen. Oder seid ihr da vielleicht anderer Meinung?
    Nein, natürlich nicht.
    Entweder bezahlt ihr die drei Bluzger pro Kopf für den nächtlichen Eintritt, oder ihr bleibt in der Zelle, bis ihr euch dazu durchgerungen habt. Das wird euch pro Kopf und Tag jedoch fünfzig Bluzger kosten.
    Ich zahle gleich jetzt, sagte Rauch, und Hostetter fügte hinzu: Ich auch.
    Der Wachtmeister wird es einkassieren, eine Notiz anfertigen und das Geld dem Nachtwächter aushändigen. Dann könnt ihr gehen. Ist er eigentlich verwandt mit dem Viehhändler Hostetter?, wechselte der Baron abrupt das Thema, als er sich zum Gehen wandte.
    Mit meinem Vater? Ja, ich bin sein Sohn, antwortete Hostetter.
    Dann werden wir uns heute wahrscheinlich nochmals begegnen.
    24 Als Anna Bonadurer an diesem Donnerstagmorgen erwachte, lag ihr Mann steif und reglos neben ihr, als wäre er tot. Sie merkte nicht einmal, ob er atmete. Beim Aufwachen erinnerte sie sich an ihren Traum, in dem sie auf den großen Baum mit dem dunkelroten Laub kletterte. Draußen vor dem Fenster wurde es hell, sie rüttelte Bonadurer an der Schulter. Es war Zeit aufzustehen. Er gab ein leises Brummen von sich.
    Es ist Zeit, sagte sie, stieg aus dem Bett und begann sich anzuziehen. Ihr Mann blieb liegen. Sie ließ die Kinder, die im Bettchen unter dem Fenster lagen, schlafen und kletterte die schmale Stiege zur Dachkammer hoch, um die anderen Kinder zu wecken. Dann machte sie in der Küche das Feuer an und goss frisches Wasser in die Kupferwanne des Herdes. Das Wetter versprach schön zu werden. Sie würden nach dem Morgenessen gleich zum Mähen hinausgehen.
    Schönes Wetter!, rief sie in die Kammer hinein. Hansmartin Bonadurer war sonst kein Morgenmuffel. Sobald er wach war, stand er normalerweise auf und ging zum Brunnen hinaus. Sie ging in die Kammer, um nach ihm zu sehen. Er roch nicht so, als ob er gestern getrunken hätte.
    Willst du nicht aufstehen?, fragte sie.
    Bald, antwortete er.
    An diesem Morgen bemerkte sie noch andere Veränderungen an ihm. Hansmartin war ein schweigsamer Mensch, dessen Ruhe aber hin und wieder von barschen Befehlen unterbrochen wurde, manchmal auch von Wutausbrüchen, Beschimpfungen von irgendjemandem, der etwas getan oder nicht getan und sein Missfallen erregt hatte. An diesem Morgen fühlte er sich krank, und in allem, was er tat (was nicht viel war), war eine fahrige Eile zu spüren, als wäre er nicht richtig bei der Sache, in Gedanken woanders. Obwohl das Wetter schön war, kam er nicht auf die Wiese hinaus. Schaute ihr und den Kindern aus dem Küchenfenster

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