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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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wieder in Ordnung bringen.
    Hilf mir!, rief Hostetter Rauch zu, ging die Stufen hinunter und begann, die Holzscheite unter der Eingangstreppe wieder ordentlich aufeinanderzustapeln. Das war eine einfache Aufforderung. Rauch verstand sie und half ihm.
    33 Der Verhörrichter befahl, die drei Leichname in Leintücher zu wickeln und in den kühlen Mühlenkeller zu tragen. Die Untersuchung war abgeschlossen, der Obduktionsbericht erstellt. Er beauftragte die Begleiter des Landammanns, Eimer und Lappen zu nehmen und die Stube und die Kammer vom Blut zu reinigen.
    Inzwischen waren Leute aus Bonaduz eingetroffen, die vorgaben, Brot kaufen zu wollen. In Wahrheit hatten sie von einem grausigen Verbrechen gehört und wollten Näheres erfahren. Sie standen vor der Mühle herum, unterhielten sich mit raunenden Stimmen und reckten neugierig die Hälse.
    Rauch stellte sich vor die Tür und sorgte dafür, dass niemand die Mühle betreten konnte.
    Der Verhörrichter ließ den Knecht in den Vorraum treten, hieß ihn auf einem Stuhl Platz nehmen und begann mit der Befragung. Der Landammann, sein Statthalter, Hauptmann Vieli und Hostetter wohnten der Vernehmung bei.
    Der Knecht setzte sich, nahm die Kappe vom Kopf und nannte Namen, Alter und Herkunft. Peter Bardolin, dreißig Jahre alt, aus Sondrio. Dann berichtete er von seinem Dienstverhältnis, schilderte den Müller als fleißigen und fröhlichen Mann. Er erzählte, dass Franziska Giesser gestern überraschend in der Mühle erschienen sei und, da es schon spät war, über Nacht bleiben wollte. Das wurde ihr nicht verwehrt.
    Auf die Frage, wann er die Opfer zuletzt lebend gesehen habe, wollte der Knecht keine klare Antwort geben; er wich aus, druckste herum, verstrickte sich in Widersprüche und zerrte dabei an seiner Kappe, dass sie zu zerreißen drohte.
    Der Verhörrichter fragte nochmals, doch der Knecht brachte es nicht heraus. Der Verhörrichter drohte ihm mit schmerzhafter Bestrafung oder Kerkerhaft, sollte er etwas verheimlichen oder vertuschen oder die Justiz anderweitig behindern. Hostetter bemerkte die Härte, mit welcher der Verhörrichter dem Zeugen drohte, sah aber, dass sie wirkte. Der Knecht gab mit gerötetem Gesicht zu, dass er am späten Abend, lange nach dem Eindunkeln, nochmals zur Mühle hinübergegangen war. Weil noch Licht in der Stube war. Er wollte nur einen Blick durch das Fenster werfen. Nur einen einzigen und ganz kurz! Aus Neugier. Weil der Müller. Ein fröhlicher Mensch. Der Müller und zwei Weiber. So! Nun war es gesagt.
    Wie konnte er einen Blick durch das Fenster werfen? Drei Meter über dem Boden?
    Mit der Leiter.
    Mit einer Leiter, wunderte sich der Verhörrichter, ist er nachts zur Mühle geschlichen, um durch das Fenster zu schauen?
    Der Knecht knetete sein Kappe und nickte.
    Was er denn in der Stube gesehen habe?, wollte der Verhörrichter wissen.
    Der Uhrenmacher Franzisk am Tisch, ein Glas vor sich. Der Müller auf der Ofenbank. Die jüngere Magd neben ihm. Die andere Magd auch am Tisch. Darauf sei er, der Knecht, schlafen gegangen. Weil bei zwei Frauen und zwei Männern, da habe kein Fünfter etwas auszurichten.
    Derselbe Franz Rimmel, dem die Axt gehören soll?, fragte der Verhörrichter.
    Der Knecht nickte.
    Was hatte Rimmel in der Mühle zu suchen?
    Der Franzisk, na ja, der ist immer unterwegs, mal da, mal dort. Und oft in der Mühle. Wo er gerade Arbeit bekommt. Oder ein Glas Schnaps, sagte der Knecht.
    Wie sieht er denn aus?
    Er ist etwa fünfzig Jahre alt, sehr klein und hat sehr wenig Haare, blaue Augen und keinen Backenbart, eine spitze Nase und ein schmales weißes Gesicht.
    Und wo wohnt er?
    Eigentlich nirgendwo, überall, mal da, mal dort. Bei seiner Frau in Lenz, da wohnt er schon lange nicht mehr. Die will ihn nicht mehr sehen, seit er sie wegen Geschichten mit anderen Weibern verlassen hat.
    Ein Uhrenmacher?
    Er macht alles, mit Holz, im Stall, beim Heuen. Man muss nur aufpassen bei ihm.
    Wieso aufpassen? Worauf muss man aufpassen?, fragte der Verhörrichter.
    Weil der Franzisk nicht unterscheiden kann zwischen dein und mein. Und wenn er gegangen ist, dann fehlt immer etwas. Mir hat er auch schon etwas gestohlen, mein Sackmesser, aber das streitet er ab.
    Ob er denn durch das Fenster noch etwas bemerkt habe, einen Streit zum Beispiel?
    Nein, das nicht. Aber der Franzisk war’s! Er hat den Müller und die beiden Mägde erschlagen. Wer soll es denn sonst gewesen sein?
    34 Es war drei Uhr nachmittags, als beim Verhörrichter eine

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