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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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sagte er dann, aber wir brauchen einen präzisen Bericht. Er wies mit dem Finger auf einzelne Verletzungen: Hiebwunden, Stichwunden. Da sind verschiedene Waffen benutzt worden. Art, Größe und Tiefe jeder einzelnen Wunde müssen protokolliert werden. Welche von ihnen waren tödlich? Welche nur oberflächlich? Der Hauptmann wird euch dabei helfen.
    30 Sie traten hinaus ins Freie, der Landammann ging voraus. Die Wiesen leuchteten im saftigen Grün unter der Mittagssonne, hinter der Mühle plätscherte der Bach, das Wasserrad drehte sich knarrend. Es schien unmöglich, dass beides, der grausige Anblick der Kammer und dieser friedvolle Sommer, derselben Welt angehörte. Statthalter Fetz und Hauptmann Vieli warteten unten an der Treppe. Sie hatten die Toten schon gesehen. Ihre Begleiter und der Knecht standen zwischen Mühle und Stall herum, als warteten sie auf den Landschaftsmaler, der sich aus irgendeinem Grund verspätet hatte. Als ahnten sie, dass er nicht mehr kommen würde, und als warteten sie trotzdem ergeben weiter. Rauch hatte sich vom Knecht einen Eimer geben lassen und tränkte die beiden Rappen. Hostetter rieb ihre nassen Flanken mit einer Handvoll Stroh ab. Der Freiberger vor dem Leiterwagen schüttelte seinen Kopf, um die Fliegen abzuwehren. Ein Lüftchen bewegte die Blätter des Holunderbaums.
    Recht seltsam, findet Ihr nicht auch?, fragte der Baron den Arzt, als sie die Holztreppe hinabgingen. Doktor Gubler wusste nicht, was der Baron damit meinte. Es schien ihm keine angemessene Beschreibung für die grauenvolle Szenerie, die sich ihnen gerade geboten hatte. Er blickte den Baron verwirrt an, und dieser präzisierte seine Frage: Die Frau und der Mann wurden nicht im Bett getötet. Wieso wurden sie dort aufeinander gelegt?
    Doktor Gubler blickte immer noch ratlos.
    Die vielen Wunden wurden ihnen zugefügt, erklärte der Baron, bevor sie auf das Bett gelegt wurden.
    Das Bild der verunstalteten Opfer tauchte vor dem Doktor auf, und ihm wurde bewusst, dass der Verhörrichter recht hatte. So wie die Wunden verliefen, hätten sie nicht entstanden sein können, während die beiden aufeinander lagen. Wer aber war so wahnsinnig, zwei Menschen zu morden und auf diese abscheuliche Weise zu arrangieren?
    Wer hat die Opfer entdeckt?, fragte der Baron den Landammann.
    Ein Mann aus Sculms, antwortete Locher.
    Ist sein Name bekannt?
    Der Hauptmann hat ihn notiert.
    Jeremias Weibel, sagte Hauptmann Vieli nach einem Blick auf einen Zettel.
    Wann geschah dies?
    Am frühen Morgen. Er kam zu Fuß aus Sculms, um Mehl zu holen.
    Zu Fuß?, hakte der Baron nach. Um Mehl zu holen? Dann kann es sich wohl nur um eine kleine Menge handeln?
    Der Landammann schaute den Verhörrichter an und hob ratlos die Schultern.
    Was wurde bis jetzt unternommen?, wollte der Baron wissen.
    Unternommen?
    Wurden Nachforschungen angestellt?
    Der Hauptmann hat mit den Männern den Wald oberhalb der Mühle abgesucht, sagte der Landammann und wies mit dem Arm einmal ringsum, auch in Richtung Versam und Bonaduz, aber nichts gefunden.
    Der Baron betrachtete die Herumstehenden und überlegte die nächsten Schritte. Mit Hauptmann Vieli stand ihm ein zuverlässiger Schreiber zur Verfügung. Landammann Locher, sein bleicher Statthalter Christian Fetz und ihre Begleiter machten nicht den Eindruck, als könnten sie ihm eine große Hilfe sein. Der Blick des Verhörrichters fiel auf das neue Gespann, die schwarze Kutsche mit den Rappen, die von Rauch und Hostetter versorgt wurden. Die beiden heimgekehrten Söldner machten einen gewissenhaften Eindruck. Sie waren es gewohnt, Befehle auszuführen. Die Untersuchung würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Er rief Hostetter zu sich und hieß ihn die Pferde ausspannen und im Stall unterbringen.
    Wieso dreht sich das Mühlrad überhaupt?, fragte der Baron den Knecht. Hat er heute Morgen die Mühle gestellt?
    Nein, sagte der Knecht. Das Rad drehte sich schon in der Früh.
    Der Baron befahl ihm, die Wasserschieber umzustecken und das Mühlrad anzuhalten.
    Als die Pferde versorgt waren, fragte der Baron Hostetter, ob er und Rauch ihm bei der Untersuchung behilflich sein könnten.
    Natürlich, sagte Hostetter und salutierte, wie er es gewohnt war.
    Sein Schwung wurde gleich darauf gebremst.
    Als er zusammen mit Rauch die Tannenscheite von der weiblichen Leiche wegräumte, fand er Franziska vor sich.
    Dieselbe Franziska, die sie zuletzt in der Postkutsche gesehen hatten, gestern Morgen, kurz hinter Feldkirch. Franziska, die

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