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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Zuerst dachte er, sie jubelten, aber das war nicht der Fall.
    »Schließt das Tor«, befahl er. »Sofort.«
    »Aber Herr, wir müssen unsere Leute hereinholen«, widersprach die Kommandantin. »Es besteht keine Gefahr.«
    »Nein? Habt Ihr nicht gehört, was die gesagt haben, die hergerannt kamen?«
    »Das könnt Ihr doch nicht glauben, das muss eine Finte sein.«
    »Ich weiß nur, dass ich dort Leute laufen sehe, die Pfeile im Hals haben. Leute, die tot sein müssten.« Er hob die Stimme. »Schließt das Tor.«
    Die Soldaten sahen zwischen der Kommandantin und ihm hin und her.
    »Das sind unsere eigenen Leute«, flehte sie.
    Roberto blickte wieder nach draußen. Durchbohrte Kehlen, verbeulte Rüstungen. Einer hatte eine Hand verloren, ein anderer hatte einen Riss in der Brust, in dem die Rippen deutlich zu erkennen waren.
    »Vertraut mir«, sagte er leise. »Und zwingt mich nicht, meinen Rang auszuspielen. Das dort sind nicht unsere Leute. Nicht mehr. Schließt das Tor.«
    Die Kommandantin drehte sich zu den Soldaten um und nickte. »Tut es«, sagte sie, wandte sich aber sofort wieder an Roberto. »Was jetzt, General? Wir haben das Tor vor Leuten geschlossen, die wir hätten retten können. Ihr wisst etwas. Wir müssen es auch erfahren, Herr.«
    Mehr als fünfzig Leute standen vor dem Tor, als die Flügel geschlossen und die Riegel vorgelegt wurden. Alle warfen Roberto zornige Blicke zu. Das Tor war in eine dicke Mauer eingelassen, dahinter befand sich ein Aufmarschplatz, der groß genug war für zweitausend Legionäre oder fünfhundert Reiter. Er füllte sich rasch. Von hier aus führten Treppen zum Balkon über dem Tor und rechts zu den Geschützplattformen. Weitere Türen und Treppen gewährten ringsum den Zugang zu anderen Teilen der Burg.
    »Wir müssen zuerst unsere Verteidigung einrichten«, sagte Roberto. »Sarissen und Bogenschützen in Reihen aufgestellt vor das Tor. Schwerter an die Flanken, damit sie jederzeit eingreifen können.«
    Die Kommandantin reagierte nicht sofort.
    »Hauptmann, die Tsardonier kommen. Wir müssen die Stellung halten, bis die Legion hier ist. Bald werden die Steine auch das Tor treffen, und so stark die Mauern auch sein mögen, die Tore werden vorher brechen. Ich fürchte, die Tsardonier haben noch mehr auf ihrer Seite als nur die Geschütze. Stellt Euch auf, dann spreche ich zu Euch allen.«
    Die Kommandantin nickte und gab ihre Befehle. Sie kannte ihn. Alle kannten ihn, den erfolgreichsten lebenden General der Konkordanz. Mehr denn je baute er jetzt auf seinen Ruf. Ihm war klar, was die Leute dachten: Er hätte brave Bürger ausgesperrt, und jetzt müssten sie sterben. Wie konnte er seinen Leuten etwas erklären, das er selbst nicht recht glauben wollte? Er brauchte Beweise und Zeugnisse. Etwas, um die unklare Erinnerung an eine Unterhaltung aufzufrischen, die er vor Jahren mit Paul Jhered geführt hatte. Im Speisesaal gab es inzwischen wohl genug davon.
    »Danke, Hauptmann«, sagte er. »Euer Vertrauen soll belohnt werden. Ich muss leider sagen, dass ich es Euch sogar versprechen kann.«
    Sie salutierte und eilte zur Messe. Als er über den Appellhof lief, kam Adranis gerade wieder in voller Rüstung aus ihrem Zimmer.
    »Hier drüben«, rief er. »Komm und hilf mir bei den Geflohenen, die du gesehen hast. Wir müssen uns schnell ein Bild machen.«
    »Ich sollte wohl besser zu den Bärenkrallen gehen«, sagte Adranis.
    »Die müssen es auch erfahren, und es ist das Beste, sie hören es von einem ihrer eigenen Leute.«
    »Was sollen sie hören?«
    »Hab noch etwas Geduld«, bat Roberto ihn.
    Adranis blickte an Roberto vorbei und richtete sich überrascht auf. Er öffnete leicht den Mund, und im Hof wurde es still. Roberto fuhr herum. Über beide Treppen kamen vom Balkon, von den Wehrgängen über dem Tor und den Artillerieplattformen Männer und Frauen herunter, die Schwerter und Messer führten. Sie bewegten sich zielstrebig.
    Unten wichen die Leute zurück. Einige zogen die Klingen, viele tuschelten miteinander.
    »Der Mann war tot«, sagte Adranis und deutete auf einen der Legionäre. »Ich habe es selbst gesehen. Roberto, schau ihn dir nur an!«
    Durch die zerfetzte Haut waren Schädelknochen zu erkennen, das Blut war aus den Augen über die Wangen gelaufen. Neben ihm lief ein anderer Mann mit blutigem Brustharnisch. Er hatte einen klaffenden Riss im Hals. Hinter ihnen ein Dritter, der eine Hand auf seinen Bauch hielt. Auf einmal rutschten die Eingeweide zwischen seinen

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