Die dunkle Armee
auf einen Vorwand, die Waffen zu ziehen. Nach einer kleinen Ewigkeit schüttelte Gorian den Kopf, blies die Wangen auf und erhob sich.
»Wenn du dich dadurch besser fühlst«, sagte er.
»Wenigstens sprechen wir jetzt als Gleichgestellte. Deine Überheblichkeit werde ich nicht länger hinnehmen.«
Gorian lächelte. »Darf ich mich wieder setzen?«
»Wir werden uns jetzt alle setzen«, erwiderte der Prinz.
Er schnippte mit den Fingern, worauf ihm einer seiner Leibwächter einen Stuhl brachte. Er setzte sich und winkte Gorian und Kessian, seinem Beispiel zu folgen. Dann strich er seine Kleider glatt, die aus feinster Wolle mit goldenen Fäden gewirkt waren. Seine Wächter bauten sich hinter ihm auf. Es waren Männer mit grimmigen Gesichtern und Narben aus vielen Schlachten. Sie trugen den Metallhelm und den braunen Mantel der königlichen Elitetruppe.
»Wie bei deinem Eintreten ist es immer noch eine Ehre, in deiner Gegenwart zu sitzen«, sagte Gorian.
»Du überschätzt dich«, entgegnete der Prinz. »Jeder Mann in meiner Armee weiß, dass du allein bist. Stürme und wandelnde Tote können dich nicht vor einem Messer in der Nacht schützen.«
»Oh mein Prinz, das haben dein Vater und ich schon längst hinter uns. Wir sollten Freunde sein. Wir sind sogar im gleichen Alter.«
Rhyn-Khur ging nicht darauf ein. Kessian bekam es mit der Angst. Er begriff einfach nicht, warum es jedes Mal so laufen musste, wenn sie miteinander sprachen. Sie sollten wirklich Freunde sein, dann wäre vieles einfacher.
»Du hast meine Armee um Schlacht und Sieg gebracht«, fuhr Rhyn-Khur fort. »Es war nicht das erste Mal. Ich dachte, mein Vater hätte sich in Kark deutlich ausgedrückt. Ein tsardonischer Krieger braucht das Blut an der Klinge, sonst hat er das Gefühl, seine Schritte seien verschwendet. Wir waren bereit, sie niederzumachen und deine üble Truppe zu verstärken. Wir hatten einen Plan.«
»Darüber haben wir uns doch schon unterhalten, und überhaupt, ich habe eine bessere Möglichkeit erkannt.«
Rhyn-Khurs Gesicht lief dunkel an. »Das sehe ich allerdings ganz anders.«
»Was meinst du damit? Es war doch offensichtlich besser.« Gorian starrte den Prinzen an, als wäre der ein Idiot. Kessian setzte sich auf die Hände, damit sie nicht mehr zitterten. »Wir haben sie in die Falle gelockt. Jetzt können wir sie nach Belieben ernten. Du wirst keinen einzigen Mann verlieren.«
»Du hast meine Autorität untergraben.« Die Stimme des Prinzen war hart wie Zement. »Meine Männer sehen mich an, als hätte ich nichts zu sagen.«
»Das war nicht meine Absicht.«
»Nein?« Rhyn-Khur stand auf und beugte sich drohend über Gorian. »Du stolzierst hier herum, eingenommen von deiner Wichtigkeit, und machst dir Feinde, wohin du auch deine Schritte lenkst. Du reizt mich zum Zorn, Gorian Westfallen, und das werde ich nicht länger hinnehmen. Du hast dich nicht einmal herabgelassen, mir über die Fortschritte in Atreska und Gestern zu berichten. Du suchst mich zu schwächen, indem du mir Informationen vorenthältst.«
»Ich muss einfach nur schlafen, mein Gebieter. Wenn ich ruhmreich nach Estorr marschieren soll, dann brauche ich meine Ruhe.«
Rhyn-Khur zog die Augenbrauen hoch. »Du? Du willst ruhmreich marschieren? Das ist aber interessant.«
»Damit meinte ich natürlich uns alle«, erwiderte Gorian. Kessian erkannte, wie sein Vater innerlich kochte. »Wir müssen unsere Kräfte so geschickt wie möglich einsetzen. Deine Soldaten sollten für die entscheidenden Schlachten geschont werden.«
Rhyn-Khur tippte sich mit dem Finger auf die Brust. »Ich!«, bellte er. »Ich entscheide, wie unsere Kräfte eingesetzt werden. Ich entscheide, wann und wo meine Männer ins Gefecht geschickt werden. Ich entscheide, wann und wo wir Schlachten schlagen. Du aber, du wirst nichts mehr ohne meine ausdrückliche Zustimmung tun. Sonst wirst du sterben, und dein Sohn wird mein Diener und ein Sprecher für die Toten.«
»Wenn ich falle, verlierst du die Möglichkeit, die Konkordanz zu besiegen. Hör auf damit, Rhyn, du kannst es dir nicht erlauben, dass ich sterbe. Dieser Krieg wird mithilfe der Angst gewonnen. Es ist die Angst vor meinen Toten. Das weißt du so gut wie ich, und auch dein Vater weiß es.«
Der Prinz blickte zu seinen Wächtern, die mit unbeteiligten Mienen hinter ihm standen, und winkte in ihre Richtung.
»Ich weiß das. Ich weiß, dass jeder Mann aus Tsard mir und allein mir treu ergeben ist. Ich weiß, dass meine Krieger
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