Die dunkle Armee
können die Forderungen nicht erfüllen.«
»Könnt Ihr nicht, oder wollt Ihr nicht?«
»Wie unsere Buchhaltung zeigt, sind wir nicht in der Lage, eine solche Truppe zu unterhalten. Wir sind kein reiches Land und geben alles, was wir können, denn wir sind treue Bürger der Konkordanz.«
»Das freut mich aber«, erwiderte Herine. Die Atmosphäre war auf einmal äußerst angespannt. Karesidi sah sich, Unterstützung heischend, im Saal um. Niemand erwiderte seinen Blick. »Das ist ein einsames Geschäft, nicht wahr?«
»Wenn wir vollwertige und nützliche Mitglieder der Konkordanz bleiben wollen, dann müssen wir zuerst die Wirtschaft unseres Landes intakt halten und für unsere Sicherheit sorgen. Dornos im Norden können wir nicht mehr als Freund betrachten. Im Osten steht Gosland unter Druck. Unsere Einberufung hat nicht die Zahlen hervorgebracht, die nötig wären, um Legionen zur Verteidigung der Konkordanz zu entsenden. Es reicht gerade aus, um unser Land zu beschützen, damit wir weiterhin Steuern an den Schatzkanzler entrichten können.«
»Könnt Ihr nicht, oder wollt Ihr nicht?«, wiederholte Herine.
»Beides«, erwiderte Karesidi. Sein Flüstern war dennoch in der ganzen Kammer deutlich zu hören.
»Ich verstehe«, sagte Herine. »Ihr glaubt, es sei das Beste, vor allem Euch selbst zu schützen und den Feind ohne Gegenwehr bis zu Euren Grenzen marschieren zu lassen. Ist das richtig?«
»Ich verstehe Eure Empörung …«
»Das wage ich zu bezweifeln, Sekretär.«
»Wir können keine Truppe in einer Stärke aufstellen, die auf dem Schlachtfeld von Nutzen wäre, ohne zugleich unsere Grenzverteidigung in einem gefährlichen Ausmaß zu reduzieren.«
»Eure Grenzverteidigung findet an der Grenze zwischen Gosland und Tsard statt!«, rief Herine. »Eure Grenzverteidigung entspricht jener der Konkordanz. Phaskar ist keine unabhängige Nation, sondern eine Provinz der Konkordanz. Bis heute dachte ich, es sei ein treuer Verbündeter. Dies hier, dies ist Verrat. Es sei denn, Ihr könnt mir eine andere Deutung nahe legen, Sekretär Karesidi.«
»Ich …« Karesidi deutete auf seine Papiere.
»Ihr seid nur der Bote. Ja, ich weiß. Ich will Euch erklären, was ich so schwer verstehen kann. Im Gegensatz zu den Dornosianern wollt Ihr uns nicht sagen, dass Ihr Euch aus der Konkordanz zurückzieht. Habe ich recht?«
Karesidi nickte.
»Und daher erwartet Ihr, nach wie vor zu bekommen, was die Konkordanz Euch bietet – Schutz und Handel, Transportmittel und die Verwaltung. Darauf müsst Ihr nicht antworten, das ist die schlichte Wahrheit. Allerdings will ich Euch und damit auch Euren feigen Marschall daran erinnern, dass eine Mobilmachung kein verhandlungsfähiges Gesprächsangebot ist. Es ist ein Befehl der Advokatur, dem ihr in vollem Umfang Folge leisten werdet.«
Karesidi schluckte. »Meine Advokatin, ich bedaure, Euch mitteilen zu müssen, dass wir dies nicht tun werden.«
Noch ganz im Bann der in ihr aufsteigenden Wut musste Herine sehen, wie Marschallverteidiger Potharin aus Tundarra, dessen Platz in der Bank direkt vor Karesidi war, sich erhob. Potharin war ein sehr großer alter Mann, seit über fünfzig Jahren der Marschallverteidiger und sogar schon länger im Amt, als Herine auf dem Thron der Advokatin saß. Trotz seines hohen Alters war er gut in Form, er hatte ein markantes Gesicht und eine kräftige Stimme. Ein typischer Tundarraner. Sie wartete, was er zu sagen hatte.
»Meine Advokatin. Herine. Mit dem allergrößten Bedauern muss ich Euch über unsere Entscheidung in Kenntnis setzen, die jener von Phaskar entspricht. Es sind schwere Zeiten, in denen neue Taktiken und eine neue Art von Diplomatie nötig sind, und nicht etwa die Aggression.«
Er wollte fortfahren, kam aber nicht mehr dazu. Herine sprang auf und stand schwankend vor ihrem Thron. Tuline wollte ihr helfen, doch Herine verscheuchte sie mit einer Geste. Dann setzte sie sich schwer und holte tief Luft, um ihre Gedanken zu ordnen. Vasselis, der links neben ihr saß, starrte Potharin fassungslos an. Herine hatte das Gefühl, einen Dolchstoß in den Rücken bekommen zu haben. Gott umfange sie, das war ja im Grunde tatsächlich geschehen.
»Tundarra würde also die Tsardonier durch Gosland marschieren lassen? Durch Gosland, dessen Truppen den Tsardoniern tapfer Widerstand geleistet haben, um Tundarra vor einer Invasion zu bewahren?« Sie zeigte mit dem Finger auf Potharin. »Ich werde Euren berühmtesten Sohn schicken, um dies mit Euch
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