Die dunkle Armee
wüssten, wie innig sie in Wahrheit mit der Natur verbunden waren. Nicht lange, und drei Männer kamen zu ihm. Einer streckte die Hand aus, als wollte er ihn berühren, aber dann zog er sie wieder zurück.
»Ihr kommt jetzt mit.«
»Mehr wollte ich nicht«, erwiderte Ossacer. »Bitte, ihr müsst euch nicht fürchten. Ich bin hier, um etwas Gutes zu tun, und nicht, um Ärger zu machen.«
»Das wird die Kanzlerin entscheiden.«
»Natürlich.«
Die Wächter umringten ihn, hielten aber eine Armeslänge Abstand und führten ihn rasch zwischen den strahlenden, pulsierenden Pflanzen und Blumen hindurch. Ossacer trank ihre Reinheit und nutzte sie, um sich zu beleben und zu beruhigen. Im Geiste ging er noch einmal durch, was er der Kanzlerin mitteilen wollte. Die einzige unbekannte Größe war Felice Koroyan selbst, denn er wusste nicht, ob sie ihm überhaupt die Gelegenheit dazu geben würde.
Das Innere der Villa war kühl und still. Die Räume waren hoch, und Ossacer spürte große freie Flächen hinter den Mauern und die Last von zwei Stockwerken über ihm. Dagegen war die Villa des Aufstiegs in Westfallen, die in seinen Erinnerungen fast so groß wie ein Palast war, vergleichsweise bescheiden. Sie gingen in einem zentralen Flur dreißig Schritte geradeaus, dann führten die Wächter ihn in ein Empfangszimmer. Zwei blieben bei ihm, die anderen zogen sich zurück und schlossen die Tür.
Ossacer ließ das geistige Bild des Raums auf sich wirken. Er war von der morgendlichen Anstrengung bereits ein wenig müde. Diese Art der Konzentration zehrte an seinen Kräften, und er war nicht mehr daran gewöhnt. Er nahm sich vor, dies zu ändern.
An einer Wand erkannte er mit Fensterläden verschlossene Fenster, die übrigen waren mit Holz vertäfelt. Er konnte die dunkleren Umrisse von Gemälden ausmachen, während sich unter seinen Füßen glatter und kalter schwarzer Marmor befand. Mitten im Raum stand ein schmaler, niedriger Tisch, um den Liegen gruppiert waren. Ossacer ging zu einer Liege, setzte sich aber nicht. Er drehte sich zur Tür um und fragte sich, wie lange er noch warten musste.
Herine Del Aglios, die Advokatin der Estoreanischen Konkordanz, ging langsam durch den Mittelgang der Primatkammer im Solastropalast. Sie hatte Mühe, den Blick auf ihren Thron am anderen Ende gerichtet zu halten. In mancher Hinsicht war dies wie eine von vielen Sitzungen, bei denen sie sich vor dem Senat der Konkordanz niederließ. Die weißen Wände schimmerten im Licht, von den Steinplatten stieg die Wärme auf, gespeist vom Hypokaustum darunter. An der Decke pendelten die Flaggen aller Provinzen der Konkordanz leise im Luftzug. Mächtige, mit Blumen geschmückte Büsten und Statuen blickten hoheitsvoll auf die versammelten Würdenträger herab.
Allen war bewusst, was auch Herine sah. Dutzende von leeren Plätzen in den drei Bankreihen.
Marschall Vasselis legte ihr leicht die Hand auf den Rücken, als er stehen blieb, um seinen Platz in seiner vollzähligen Delegation einzunehmen. Herine setzte sich und nickte ihm dankbar lächelnd zu, auch wenn sie innerlich tobte. Mindestens ein Drittel der Abgesandten war nicht erschienen. Höchstens zweihundert saßen nun vor ihr.
Aus Bahkir war niemand gekommen, denn da dort Kriegsrecht herrschte, besaß die Provinz kein Stimmrecht. Die Dornosianer hatten sich aus der Konkordanz zurückgezogen, also war ihr Fehlen nicht weiter erstaunlich. Aber abgesehen von Neratharn und natürlich Caraduk und Estorea hatte keine Provinz eine vollzählige Delegation entsandt, soweit sie es sehen konnte. Dass Gestern fehlte, war eine Enttäuschung und zugleich eine große Überraschung. Katrin Mardov musste einen guten Grund dafür haben. Aufgrund ihrer anderen Pflichten war die Bank der Einnehmer dünn besetzt, aber die Tatsache, dass die Bank des Ordens völlig leer war, konnte sie nur als Beleidigung ihrer Position und ihres Ranges auffassen.
»Willkommen«, sagte sie, und ihre Stimme trug mühelos durch die ganze Kammer. »Die Würdenträger der Konkordanz müssen erstaunlich viel zu tun haben, da nur so wenige den Weg hierher gefunden haben.«
Die murmelnden Unterhaltungen brachen ab, ihre eröffnenden Worte hatten die gewünschte Wirkung erzielt. Herine hielt inne und starrte die Versammelten an. Das Schweigen dehnte sich unbehaglich. Schließlich legte sie die Hände flach zusammen und hob sie vor ihr Gesicht, bis die Zeigefinger ihre Lippen berührten. Sie wartete so lange wie möglich, um
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