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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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meine Freunde und weiß, wer an meine Visionen glaubt. In diesem Raum sehe ich keinen davon.«

 
5

    859. Zyklus Gottes,
    4. Tag des Genasauf
     
    H erine schritt neben Jhered zur Akademie des Aufstiegs. Sie hatte die Probleme schon viel zu lange ignoriert und gehofft, die Bürger würden das Gute im Herzen der Aufgestiegenen erkennen. Doch das Misstrauen hatte sich gehalten, und die Kanzlerin mit ihrem großen Heer von treuen Lesern und Sprechern und natürlich den Gottesrittern schürte es weiter.
    Felice Koroyan hatte sich als unerbittliche Feindin gezeigt. Herine hatte angenommen, mit der Zeit würden sich ihre Ängste ganz von selbst als unbegründet erweisen, da überall in der Konkordanz Aufgestiegene heranwuchsen. Ein unumkehrbarer Prozess hatte begonnen, der jedoch noch sehr lange andauern würde. In der Zwischenzeit aber würden immer mehr unsichere Provinzen ihre Bündnistreue aufkündigen. Etwas musste geschehen.
    Herine fürchtete, die Schlacht um die Herzen ihrer Bürger zu verlieren.
    Sie betraten die Akademie, deren Hypokaustum die Räume wärmte, nachdem die Genastrosonne ihre Kraft verloren hatte. Die ehemaligen Räume der Kanzlerin des Allwissenden waren rasch in ein Zentrum umgewandelt worden, in dem alles gepflegt wurde, was Felice verachtete. Herine konnte sich noch gut an diesen Augenblick erinnern. Es war ein süßer Triumph gewesen, aber sie hatte die Beharrlichkeit der Kanzlerin unterschätzt und nicht damit gerechnet, dass Koroyan über ein ganzes Jahrzehnt hinweg so viel Unterstützung finden könnte.
    Nicht nur Dornos und Bahkir waren betroffen. Überall gab es Unzufriedenheit, sogar in Estorr, der Hauptstadt der Konkordanz. Gerade jetzt brauchte sie Stärke und Solidarität, denn ihre Herrschaft war gefährdet.
    Jhered führte sie durch einen marmornen Flur, in dessen Nischen Büsten früherer Kanzler und religiöser Helden im Dienst des Allwissenden aufgestellt waren. Am westlichen Ende stand allerdings auch eine Büste von Ardol Kessian und begrüßte die Besucher der Akademie. Die Kanzlerin hatte den berühmten Vater des Aufstiegs getötet, obwohl er unbeirrt dem Glauben gefolgt war. Herine hatte ihn nie selbst kennen gelernt, aber Jhered hatte große Achtung für ihn empfunden.
    »Was meinst du, war es dumm, den Aufstieg hierherzubringen?«, fragte Herine.
    »Es war der einzig mögliche Ort«, erwiderte Jhered. »Nicht nur, weil sie die Sicherheit des Palasts brauchten. Du musstest deutlich machen, welchen Rang sie in den Augen des Allwissenden genießen. Das hast du getan. Es ist nur eine Schande, dass so wenige dir zugehört und dir geglaubt haben.«
    »Nicht einmal mein ältester Sohn«, sagte Herine. »Dabei wird er meine Nachfolge antreten.«
    Jhered kicherte. Er überragte Herine, und sie musste sich beeilen, um mit seinen langen Beinen Schritt zu halten. Wenigstens er würde nie ihre Autorität infrage stellen, auch wenn er manchmal nicht mit ihren Methoden übereinstimmte.
    »Ich würde mir wegen Roberto keine Sorgen machen. Im Grunde seines Herzens wird er immer ein Soldat bleiben und fürchten, welche Kräfte die Aufgestiegenen auf dem Schlachtfeld entwickeln könnten, wenn sie in die falschen Hände geraten. Er kennt sie nicht wie wir und war lange fort. Er hat sie nicht aufwachsen sehen wie wir.«
    »Dann wird er sehr unglücklich sein, wenn er hört, dass Gorian noch lebt«, sagte Herine.
    Jhered neigte den Kopf. »Das wird seine Befürchtungen nähren. Aber er ist nicht dumm. Das macht den Aufstieg sogar noch wichtiger.«
    »Nun ja, es kommt auf den Standpunkt an. Je nachdem, ob man die Reinheit oder das Böse sucht.«
    »Verliere nicht den Mut, Herine. Du bist das Oberhaupt dieser Religion. Die Leute werden schon damit zurechtkommen.«
    »Aber wie lange wird es dauern? Noch ein Jahrzehnt, zwanzig Jahre? Vierzig? Wir können uns diese Spaltung nicht erlauben. Gott umfange mich, sie sollte längst beigelegt sein, aber in Wirklichkeit vertieft sich die Kluft sogar noch. Kannst du mir verraten, woran das liegt?«
    »Ach, ja«, sagte Jhered. »Ich glaube, das kann ich beantworten.«
    »Und?«
    »Der Orden unterhält in jedem Dorf der Konkordanz ein Haus der Masken. Leser und Sprecher, die nach Tausenden zählen, legen Tag für Tag die Schriften aus. Sie berufen sich auf eine fast neunhundertjährige Geschichte. Noch länger, wenn du auch die Wurzeln aus der Zeit vor der Konkordanz einbeziehst. Der Aufstieg ist trotz deiner Unterstützung eine Art Partisanenbewegung. Sie

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