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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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schob ihn energisch auf den Stuhl zurück. »Bitte. Und auch du, Harban. Setz dich. So kommen wir doch nicht weiter. Niemand verschwendet hier jemandes Zeit. Harban, du wirst deine Zunge hüten, wenn du mit meiner Advokatin sprichst. Herine, er ist aus eigenem Antrieb über tausend Meilen weit gereist. Wir sollten ihm wenigstens zuhören.«
    Es gab ein kurzes Schweigen, als keiner seinen Zorn vergessen wollte. Die Energien ihrer Körper loderten so hell, dass Arducius sich abschirmen musste. Der arme Ossacer konnte nicht anders als blicklos starren.
    Harban nickte. Herine kniff die Augen zusammen, setzte sich aber ebenfalls wieder hin und strich über den Beinen ihre Toga glatt.
    »Vielleicht sollte ich die Prophezeiung wiederholen«, sagte Harban leise.
    »Vielleicht solltet Ihr Euch entschuldigen«, sagte Herine.
    »Wofür?«
    »Ich bin die Advokatin.«
    »Und ich möchte dafür sorgen, dass Ihr es bleibt.«
    Jhered hüstelte und starrte ihn an.
    »Also gut.« Herine machte eine geringschätzige Geste. »Dann fahrt fort. Ich kann die Spannung fast nicht mehr ertragen.«
    Harban schüttelte den Kopf. Arducius’ Herz raste, er fühlte sich äußerst unwohl, und in seinem Kopf schienen all die unfreundlichen Energien der Anwesenden aufeinanderzuprallen.
    »Die Verlorenen werden von bösen Händen aus ihrer Ruhe gerissen. Ihre Schritte lassen den Berg erzittern. Sie haben ein Ziel und doch keinen Grund. Triumph ohne Ruhm. Wenn der Berg fällt, fallen auch die Aufgestiegenen. Auf dem neuen Gipfel werden er und seine Brut über der strauchelnden Welt thronen.«
    Harban hatte inbrünstig und voll innerer Bewegung gesprochen. Es war einer dieser Momente, die Vater Kessian »bedeutungsschwer« genannt hätte. Das Unbehagen im Raum verschwand, und obwohl die Prophezeiung sich mit den Gedanken der Advokatin deckte, runzelte sie die Stirn und beugte sich vor.
    »Fast poetisch«, bemerkte sie. »Ich nehme an, das war eine wörtliche Übersetzung?«
    Harban nickte. »So gut, wie wir es ins Estoreanische übertragen können.«
    »Aber wie kommt Ihr darauf, dass die Prophezeiung sich jetzt erfüllt?«
    Ossacer zuckte zusammen, als er Harbans starke Gefühlsreaktion auffing. Der Karku ließ den Kopf hängen und rang die Hände im Schoß. Als er wieder aufschaute, standen ihm die Tränen in den Augen.
    »Weil ich es gesehen habe«, sagte er, und seine Stimme brach, als die Erinnerungen erwachten. »Mein Lehrer, mein Führer, mein ältester Freund.«
    »Icenga«, keuchte Mirron.
    »Tot. Ich sah ihn stürzen. Auf dem Berg abgeschossen wie ein Tier. Dann aber sah ich ihn wandeln, obwohl das Leben ihn verlassen hatte.« Harban schauderte und musste abbrechen.
    Die Advokatin war verblüfft. »Vielleicht hat er den Sturz überlebt?«
    »Glaubt Ihr, ich erkenne den Tod nicht, wenn ich ihn sehe?« Harbans Speichel spritzte auf den Tisch. »Er stürzte mehr als zweitausend Fuß tief auf Fels. Sein Körper war zerschmettert, sein Blut ins Eis gesickert. Ich stieg zu ihm hinab, aber er war fort. Eine einzige Spur erkannte ich im Schnee, und dann kam er zu mir. Ein Pfeil steckte in seiner Brust … wie kann ich den Gang eines toten Mannes beschreiben? Wie soll ich das nur tun?«
    Seine Tränen rollten herab, und Ossacer bemühte sich, ihn zu beruhigen.
    »Das muss schrecklich gewesen sein«, sagte die Advokatin. »Aber damit ich es richtig verstehe – Ihr habt Euch keinesfalls geirrt? Es war Euer Freund und niemand anders? Wir reden darüber, dass Ihr einen Toten gesehen habt, der sich bewegt hat und gelaufen ist und vermutlich sehen und hören konnte? Der sich in keiner Weise von einem Lebenden unterschied?«
    Harban nickte. »Allerdings war mir klar, dass er tot sein musste, und in seinen Augen sah ich die Angst, weil er wusste, was aus ihm geworden war.«
    »Was ist denn aus ihm geworden?«, fragte Arducius.
    »Selbst im Tod hat der Geist der Karku noch einen Willen. Als er jenseits des Todes wandelte, besaß Icenga keinen freien Willen mehr. Kein Mensch sollte je einen Karku beherrschen dürfen. Nicht im Leben, und auch nicht im Tod.«
    »Ich weiß nicht …«, hub Ossacer an.
    »Er wurde nicht nur dazu gezwungen, herumzulaufen und dann freigelassen«, sagte Jhered. »Etwas … jemand … kontrollierte ihn.«
    »Was ist mit Icenga geschehen, nachdem er wieder herumlief?«, fragte die Advokatin. »Wohin ist er gegangen?«
    »Er starb noch einmal, dieses Mal in meinen Armen. Erst als er freigegeben wurde, konnte er mir sagen, was er

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