Die dunkle Armee
knochigen Stirn war fast flehend. Allmählich nahm der Lärm rings um sie zu. Die Karku ermutigten sich gegenseitig und stritten mit denen, die Einwände hatten. Jystill öffnete den Mund, um sich einzuschalten, doch Harban hielt ihn auf.
»Du hast alles gesagt, was du sagen musstest. Sie werden uns folgen, oder sie werden es nicht tun.«
»Wir dürfen nicht getrennt marschieren.«
»Wir haben vielleicht keine andere Wahl.« Harban kniete sich neben Wehn, legte ihr die Hände aufs Maul und sah ihr tief in die Augen. »Gehe von mir und zerreiße das Fleisch unserer Feinde. Fürchte weder Tod noch Verletzung. Du bist ein Gorthock.«
Er spürte die Bewegung in ihrem Körper, als seine Worte ihre Angst vertrieben und ihren Blutdurst weckten. Er richtete sich auf und zog sich einen Schritt zurück. Wehn drehte sich zu den Toten um, hockte sich auf die Hinterbeine und stieß den Kriegsschrei der Gor aus.
Es war ein Heulen, das die anderen Gorthocks sofort aufnahmen. Laut hallte es zwischen den Wänden des Tals. Es fuhr den Menschen in die Knochen, und sogar die Karku schauderten.
Als Wehn die Gorthocks den Hang hinunter zum Angriff führte, waren die Toten jedoch nicht von ihrem Weg abgewichen, und auch die Tsardonier hinter ihnen, noch vor dem Ausgang des Tals, hatten nicht reagiert. Harban stellte sich vor, dass die Toten leere Hüllen waren, in denen nichts mehr von der früheren Person vorhanden war. Andererseits hatte er Icenga gesehen, der vor seinem zweiten Tod noch einmal mit ihm gesprochen hatte. Die Persönlichkeit hatte noch in seinem Körper gesteckt, gefangen und ohne Ausweg. Sie brauchten Hilfe und würden mit Flammen begrüßt werden.
»Karku, für Himmel und Stein!«
Jystill hob das Kurzschwert und folgte mit seiner Truppe den Gorthocks. Harban hielt mit ihm Schritt und schob die Gedanken an ihr schreckliches Vorhaben zur Seite. Später wäre noch genug Zeit für Schuldgefühle. Jetzt musste Kark überleben. Der Berg musste dem Ansturm standhalten.
Harban war kein Kämpfer. Er war ein Jäger und Bauer. Zwar besaß er wie alle ein Schwert, das vor allem zeremoniellen Zwecken diente und beim Übergang vom Knaben zum Mann tief in Inthen-Gor eine Rolle spielte. Jetzt zog er es, wie sie es alle taten, rannte los und hoffte, die Gorthocks würden den Ansturm zum Erliegen bringen. Doch vor ihm wurden die Tiere langsamer.
»Wehn!«, rief er. »Hab keine Angst. Feinde. Beute.«
Er wusste nicht, ob sie es überhaupt gehört hatte. Aus dem blitzschnellen Angriff wurde ein Trab, dann ein vorsichtiger Gang, und dann blieben die Gorthocks stehen. Nur wenige Schritte vor den Toten verharrten sie und konnten nur noch fauchen und knurren. Die Toten aber hielten nicht inne, und schließlich wichen die Gorthocks sogar Schritt für Schritt zurück. Wie Welpen, die sich vor einem Bergesel fürchteten. Zahnlos und unsicher. Als sie wieder bei den Karku waren, drehten sich um und liefen zurück in die Deckung.
»Bleibt stehen! Haltet stand!«, rief Jystill, obwohl auch seine Stimme schwankte.
Die Toten rückten weiter vor. Sie marschierten in unordentlichen Reihen und hatten die Waffen und Schilde gehoben. Harban holte tief Luft. Auch die Karku waren stehen geblieben, viele hatten sogar schon kehrtgemacht und waren wie die Gorthocks geflohen. Diejenigen, die noch standen, waren drauf und dran, den anderen zu folgen.
»Haltet stand!«, rief Jystill noch einmal so energisch, wie er konnte.
Die Karku blieben stehen. Die Toten rückten weiter vor. Harban hörte das Knistern der Fackeln, die nach vorn gebracht wurden.
»Nur wenn wir müssen«, sagte Jystill.
Harban schüttelte den Kopf. »Sie sind nicht unsere Feinde. Denke an Icenga und das, was ich sah.«
Die Toten kamen.
»Halt!«, befahl Jystill. »Ihr könnt nicht weiter. Bitte. Ihr seid Atreskaner und Gesternier. Ihr seid Freunde. Ihr könnt mich hören. Ich weiß, dass ihr mich hören könnt. Macht kehrt. Kämpft gegen diejenigen, die euch geschickt haben.«
Keiner zuckte auch nur mit einer Wimper. Schaudernd packte Harban sein Schwert etwas fester. Sie waren noch zehn Schritte entfernt. Völlig still kamen sie, abgesehen vom Schlurfen der Füße über Eis und Schnee und dem dumpfen Klappern von Rüstung und Schwert.
»Gott des Himmels, beschütze mich«, flüsterte Harban.
Er sah ihre Gesichter. Bei manchen, aber keinesfalls bei allen stand der Atem als Wolke vor dem Mund. Das Spähglas hatte ihm nicht die ganze Wahrheit verraten. Schlaff hingen die
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