Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
Vom Netzwerk:
verschwiegen, aber es ist wahr. Du musst nur daran glauben.«
    Kessian seufzte. Das brachte doch nichts. Gorian packte ihn ziemlich fest an den Armen.
    »Aua.«
    »Du könntest für einen Augenblick diesen Gesichtsausdruck fallen lassen und mir zuhören. Gestern Abend ist ein Mann ins Lager gekommen. Er ist jetzt mit seinen Soldaten ein Stück vor uns und will herausfinden, in welche Richtung wir gehen müssen. Ich kann ihm helfen, weil ich schon einmal hier war. Ich muss dir das sagen, weil ich dich ihm vorstellen will. Es ist König Khuran. Er ist der König aller Tsardonier, und ich habe ihm erklärt, wie wichtig du bist. Deshalb wirst du mich nicht in Verlegenheit bringen und höflich zu ihm sein, verstehst du das?«
    »Warum soll ich denn …«
    »Verstehst du das?« Gorian schüttelte ihn.
    »Aua. Ja. Ja. Lass mich los.«
    Gorian ließ ihn los und richtete sich auf. Das Lächeln war wieder da. »Wir zwei sollten uns nicht streiten. Wir sind Vater und Sohn, ganz egal, was du jetzt glaubst.«
    »Wir würden uns nicht streiten, wenn du mich nach Hause bringen würdest.«
    Gorians Augen blitzten. Kessian wich einen Schritt zurück.
    »Das ist die letzte Ermahnung«, sagte er leise, aber mit einem Tonfall, der Kessian erschauern ließ. »Ich meine es ernst.« Er packte Kessians Hand. »Wir gehen jetzt. Bleib still, bis du angesprochen wirst.«
    Kessian wurde es wieder übel, doch jetzt war ihm auch der Appetit vergangen. Gorian hatte sein Handgelenk viel zu fest gepackt. Er wollte sich losreißen, wagte es jedoch nicht. So sah er sich um und versuchte herauszufinden, was die Unruhe zu bedeuten hatte. Der Schnee war zu Matsch geschmolzen und dort mit Dreck vermischt, wo die Soldaten marschiert waren. Es war sehr glitschig. Kessian schüttelte den Arm, um seine Hand zu befreien.
    »Schon gut, ich werde nicht weglaufen oder so.«
    Gorian warf ihm einen kurzen Blick zu. »Nein, das wirst du nicht tun.«
    Sie kamen zwischen zwei grellweißen Klippen hindurch und liefen einen Hang hinauf. Weiter hinten erhoben sich höhere, mit Schnee bedeckte Berge. Im Tal wehte ein kalter Wind, und Kessian rieb sich die Hände, die trotz der Handschuhe eiskalt waren.
    »Wie weit ist es noch?«
    »Siehst du die Leute dort oben?«
    »Ja.«
    »Wir müssen zu ihnen. Dort sind alle, mit denen ich jetzt reden muss.«
    »Warum?«
    »Weil ich es sagte, und weil es dich etwas Wichtiges lehren wird.«
    Noch mehr lernen. Immer musste er lernen. Sogar auf der Akademie war Zeit zum Spielen geblieben. Hier hatten sie überhaupt keine Zeit.
    »Und denk nicht so schlecht über mich, mein Junge«, sagte Gorian.
    »Ich habe überhaupt nichts gedacht.« Es klang viel weinerlicher, als Kessian es beabsichtigt hatte.
    Unerwartet lachte Gorian.
    »Weißt du, ich war früher genau wie du.«
    »Wirklich?« Kessian hielt das nicht für sehr wahrscheinlich.
    »Aber natürlich. Wie der Vater, so der Sohn. Ich habe mich immer aufgelehnt und gegen die Autoritäten gewehrt, immer meine Grenzen erprobt. Es ist gut, dass auch du es tust, das stärkt den Geist.«
    Kessian lächelte.
    »Versuch einfach nur, etwas zu lernen, wenn wir anhalten.« Gorian klopfte ihm auf die Schulter. »Das ist das Schwierige daran.«
    Kessian fragte sich, ob er versuchen sollte, Gorian ähnlicher zu werden. Auf der Akademie standen Verständnis und Nachsicht im Mittelpunkt. Hier draußen war es am besten, das Kommando zu haben. Alle hörten auf Gorian, vielleicht hatten sie sogar Angst vor ihm. Gorian schien es egal zu sein, was von beidem zutraf.
    »Wobei habe ich dir geholfen?«
    »Pass auf.«
    Gorians scharfer Ruf ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben. Vor seinen Füßen lag ein ganzer menschlicher Arm. Die Finger umklammerten einen Axtgriff, an einem steckte noch ein Ring. Kessian unterdrückte einen Schrei und wich zurück. Überall waren Pfeile, Speere, Steine, Blut und Knochen zu sehen. Leichenteile. Ein oder zwei fast vollständige Körper, aber zerquetscht und verunstaltet. Er würgte und legte sich die Hand vor Mund und Nase, obwohl er keinen üblen Geruch wahrnahm.
    »Was ist das?«, fragte er zaghaft.
    »Ein Schlachtfeld«, erklärte Gorian. »Aber ein ganz besonderes.«
    Kessian wollte sich verdrücken; am liebsten hätte er kehrtgemacht und wäre weggerannt. Etwas Dunkles war auf dem Schneematsch verschmiert. Erst hielt er es für Schlamm, aber das war es nicht.
    »Warum?« Eigentlich wollte er es gar nicht wissen.
    »Wenn ein Mann auf einem normalen Schlachtfeld einen Arm

Weitere Kostenlose Bücher