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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Berufsverbot gleich.
    Er nickte. »Ja, das tut es.«
    »Aber du warst doch so erfolgreich damit und hast so vielen Menschen helfen können! Was sollst du denn dann stattdessen für Methoden anwenden?«, stammelte ich. »Elektroschocks?!«
    Er zuckte die Schultern und ich setzte mich in den anderen Sessel und starrte ihn erschüttert an.
    »Die Aufgaben der Klinik werden in Zukunft andere sein. Es gibt neue Erbgesundheitsgesetze, die am ersten Januar des nächsten Jahres in Kraft treten. Der neue Kuratoriumsvorsitzende hat Müller-Wagner einen Stapel davon auf den Schreibtisch geknallt und ist mit zackigem Hitlergruß verschwunden.«
    »Erbgesundheitsgesetze?«, das sagte mir gar nichts, also erklärte er es mir.
    »Man wird uns unheilbar Kranke schicken, geistig und körperlich Behinderte, Menschen mit Erbschäden …Wir sollen sie sterilisieren.«
    »Du meinst, ihr sollt ihnen eine Sterilisation vorschlagen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, das Gesetz ist extra gemacht worden, um legal Zwangssterilisationen vornehmen zu können, ›damit sich dieses minderwertige, lebensunwerte Leben nicht fortpflanzt und die deutsche Volksgesundheit untergräbt‹.«
    »Aber das können die doch nicht tun! Die psychiatrischen Anstalten sind gerade dabei, moderne medizinische Einrichtungen zu werden, wie echte Krankenhäuser, nur für Erkrankungen der Seele … Das … das ist ein Schritt zurück ins finsterste Mittelalter!«
    Conrad nickte. »Wer Hitlers Mein Kampf gelesen hat, der musste etwas in dieser Art erwarten. Zu deutlich hat er in seinem obersten Grundsatz zur Gesundheitspflege unheilbar Kranken das Recht auf Leben abgesprochen. Patienten unserer Klinik dürfte also in naher Zukunft noch weit Schlimmeres erwarten als eine Zwangssterilisation.«
    »Du meinst …« Mein Mund weigerte sich, es auszusprechen, aber Conrad hatte keine Hemmungen mehr, die Dinge beim Namen zu nennen: »Sie werden sie ausmerzen, im Dritten Reich wird es bald weder Geisteskranke noch Behinderte geben. Sie nennen es Euthanasie an lebensunwertem Leben. Verstehst du nun, warum ich nicht länger an der Klinik arbeiten kann?«
     
    Ich verstand ihn vollkommen, aber da er sich mit seiner Kündigung gegen das System stellte, würden wir erneut unliebsam auffallen, und es wäre darum besser, wenn wir danach Berlin schnellstens verlassen könnten. Unsere einzige Chance, das Nazi-Regime zu überleben, schien mir nach wie vor Blankensee mit seinem Geheimen Gewölbe zu sein. Da dort Klara und Friedrich bereits Schutz gefunden hatten, war ich bereit, gegenüber Hansmann meineForderungen herunterzuschrauben und ihn notfalls auf den Knien um das Wohnrecht anzuflehen. Also trat ich meinen Canossagang in Utz’ Villa an, wobei ich allerdings fürchtete, dass mein Onkel so einen Hass auf mich hatte, dass er mir niemals entgegenkommen würde.
    Vermutlich lag es an Tante Gertruds gutem Einfluss, die noch eine gewisse Dankbarkeit in sich trug, weil meine Mutter ihre Familie im Großen Krieg auf Blankensee durchgefüttert hatte, oder aber es war tatsächlich so, dass Hansmann unseretwegen in der Partei nun doch verstärkt Schwierigkeiten bekam. Jedenfalls zeigte er sich erstaunlich entgegenkommend und so vereinbarten wir einen Notartermin.
    »Es ist wirklich sehr löblich von Lenz und dir«, sagte er beim Abschied, »dass ihr euch dem Reichsnährstand anschließt. Da habt ihr eine wichtige Funktion und tragt etwas Sinnvolles zum Aufbau des Reiches bei.«
    Er nahm mich vertraulich zur Seite. »Ich weiß über euch Bescheid«, sagte er leise, »ihr solltet vorsichtig sein. Man fliegt heutzutage ganz schnell auf und selbst ich kann euch dann nicht mehr helfen.«
    Die Warnung war eindeutig, und ich schluckte noch an diesem Brocken, als Gertrud, die inzwischen in der NS-Frauenschaft eine wichtige Funktion bekleidete, begeistert ihre häufigen Besuche ankündigte. »Ihr werdet einen Musterbetrieb aus dem Gut machen, da bin ich sicher, und ich werde dir kräftige BDM-Mädel zur Unterstützung ins Landjahr schicken.«
     
    Die Formalitäten waren dann erstaunlich rasch abgewickelt, und ich wunderte mich darüber, was Hansmann möglich machen konnte, wenn er nur wollte. Im Beiseinvon Conrad überschrieb er mir tatsächlich beim Notar den Nießnutz für das Gut Blankensee.
    »So«, sagte Conrad erleichtert, als wir im Dunkeln zurück in die Brüderstraße fuhren, »du kannst nun auf Blankensee schalten und walten und die Geschäfte führen, wie du es für richtig hältst, und

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