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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Mutter spontan in die Brüderstraße zu ihrem Vater gefahren war und zusammen mit ihm wieder auf Blankensee auftauchen würde. Das schien mir besonders auch deswegen plausibel, weil Onkel Hansmann ziemlich erregt wirkte. So konnte ich mir gut vorstellen, dass er und Mutter sich wieder einmal gestritten hatten, vermutlich wie stets um die Führung des Gutes. Dass sie meiner Geburtstagsfeier deswegen fernbleiben würde, war für mich allerdings undenkbar.
    Damit die Tafel auch recht schön aussah, schickte Tante Gertrud mich noch in der Dämmerung mit Rieke in den Garten, um ein paar Rosen für die Tischdekoration zu besorgen. Der Herbst war mild gewesen in diesem Jahr und so standen noch etliche Rosen in ihrer letzten Blüte am Strauch.
    Wir schritten an den Rosenbeeten vorbei und setzten uns dann auf die Gartenbank. Rieke hatte eine schöne Stimme, undweil ich mich wegen meiner Mutter gerade in einer schwermütigen Stimmung befand, bat ich sie für mich zu singen. Sie wusste schon, was ich hören wollte.
    »Letzte Rose, wie magst du so einsam hier erblüh’n, deine freundlichen Schwestern sind längst, schon längst dahin. Darum pflücke ich, o Rose, jetzt vom Stamm, vom Stamm dich ab, du sollst ruh’n mir am Herzen und mit mir, ja, mit mir im Grab …«
    Ich hatte mich erhoben und eine wunderschöne Edelrose abgeschnitten, die ich Rieke nun reichte, und mit einem Lachen drückte sie die Blume spielerisch an ihre Brust, ebenso wie sie es gerade in dem Lied besungen hatte. Dabei ritzte ein langer Dorn die Haut in ihrem Dekolleté und sofort quoll helles rotes Blut hervor.
    Sie rief noch »Oh, wie ungeschickt von mir«, dann lag ich auch schon an ihrem Hals. Es war eine Sache von Sekunden. Der Anblick des Blutes auf ihrer weißen Haut ließ das Tier in mir fast wahnsinnig werden vor Verlangen, und es gab nichts mehr, was ich dieser so gewaltig in mir aufsteigenden monströsen Gier entgegensetzen konnte. Keine Moral, keine guten Sitten, nicht einmal die Freundschaft zu Rieke hielten die Bestie davon ab, sich stumm auf das entsetzte Mädchen zu stürzen. Und obwohl mir ihr Schrei, den sie bei meinem Biss ausstieß, bis ins Mark fuhr, konnte ich das Monster nicht zähmen. Zu lange schon unterdrückt nahm es sich nun zum zweiten Mal, was es zum Überleben brauchte. Ich konnte es nicht zurückhalten, denn es wurde in diesem Augenblick ein Teil von mir. Und so saugte es mit meinen Lippen und schmeckte mit meiner Zunge und meinem Gaumen und befand ihr Blut für gut und verlangte nach mehr …
    Doch dann stand plötzlich der kleine Hermann mit einer Fackel in der Hand neben mir.
    »Du sollst ins Haus kommen, sagt die Mutter. Der Großvater ist schon da …«
    Ich nahm ihn in meiner Besessenheit nur unbewusst wahr. Schüchtern zerrte er an meinem Kleid.
    »Amanda, hör doch, du sollst kommen …« Er stockte. »Was machst du denn mit Rieke? Hör auf, sie blutet, du tust ihr weh!«
    Er riss mit der ganzen Kraft, zu der ein Achtjähriger fähig ist, an mir und griff sogar nach meinem Arm, um mich von Rieke wegzuzerren. Irritiert ließ ich kurz von ihr ab, um diese lästige kleine Kröte loszuwerden, aber im Kampf, der sich zwischen uns entspann, ritzte ich Hermann mit den Zähnen am Hals, sodass er quiekte wie ein Ferkel, von mir abließ und schreiend ins Haus rannte.
    Nur Augenblicke später kamen Onkel Hansmann und Wilhelm angerannt, schrien mich an, nannten mich eine mörderische Bestie und versuchten mich zu ergreifen. Ich hob die Fackel vom Boden auf und stieß sie dem Onkel ins Gesicht, dann rannte ich völlig von Sinnen in die Scheune, wo ich sie von mir warf.
    In Sekundenschnelle fing jedoch das trockene Heu Feuer, und als Hansmann und Wilhelm, gefolgt von dem entsetzten Großvater, vor der Scheune auftauchten, brannte sie bereits lichterloh, und ich musste sie verlassen, um nicht selbst ein Opfer der lodernden Flammen zu werden. Ich hetzte zum Gutshaus und schloss mich in meinem Zimmer ein. Aber bald standen sie vor der Tür und rüttelten heftig daran. Mir blieb nur die Flucht aus dem Fenster, wo ich jedoch unserem Kutscher Mathias in die Arme sprang. Der hielt mich fest, bis Onkel Hansmann und Wilhelm kamen, mich ergriffen und in den Keller sperrten. So konnte ich nicht mehr entkommen, bis der Onkel mich an die Pfleger der Anstalt übergab.
     
    Ich hatte ganz in Gedanken die letzte Rose vom Strauch gebrochen und mich mit ihr auf die Bank gesetzt. Einer ihrer Dornen stach mir in die Haut, und ich betrachtete mit

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