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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Tier erneut in mir wuchs und nur noch eins wollte: Conrads Blut!
    Ich sprang panisch von der Couch auf und taumelte auf ihn zu.
    »Rette mich! Rette mich, Conrad, bevor ich wahnsinnig werde … ich kann es nicht mehr ertragen … das Monster … es … es ergreift immer mehr von mir Besitz … Hilf mir! Ich flehe dich an!«
    Lenz war ebenfalls aufgesprungen und fing mich in seinen Armen auf. Er wirkte völlig verstört, als er besänftigend über mein Haar strich und dabei stammelte: »Amanda, Amanda, was ist mit Ihnen, so beruhigen Sie sich doch, es gibt keine Monster … das … das war nur eine Allegorie von Professor Müller-Wagner … Sie haben kein Monster in sich … Es sind nur fehlgeleitete Triebe … das … das kann man alles in den Griff kriegen … Sie müssen sich nicht so erregen …«
    Er führte mich zurück zur Couch.
    »Wir finden die Ursachen … Sie werden ein normaler, glücklicher Mensch sein … Sie …«
    »Niemals«, stöhnte ich auf und fühlte, wie es in meinem Kiefer knackte, wenige Augenblicke nur noch und ich würde über ihn herfallen. Ich musste ihn warnen. »Ich, ich falle Menschen an«, stieß ich hervor. »Ich trinke ihr Blut! Conrad! Ich begehre auch das deine … lass mich … geh fort …«
    Ich stieß ihn mit aller Kraft von mir, und da er wie erstarrt wirkte, drehte ich mich mit einer letzten verzweifelten Willensanstrengung um und rannte aus dem Salon. Bevor die Tür hinter mir ins Schloss fiel, hörte ich ihn noch stammeln: »Amanda, das, das dürfen Sie nicht … ich … ich bin Ihr Therapeut!«
     
    Z
wei Tage später schloss Vanderborg das Haus.
    Wir waren nicht mehr auf den Vorfall zu sprechen gekommen, aber Lenz war sichtlich erleichtert, als er micham nächsten Tag wohlbehalten am Schreibtisch vorfand, wo ich aufschrieb, was mir von unserem Gespräch in Erinnerung geblieben war. Das Monster hatte ich mit einem Bad im eiskalten See abgekühlt und es hatte sich danach nicht mehr gerührt.
    »Wie ich sehe, sind Sie wieder wohl«, sagte er und fügte dann vage hinzu: »Solche Sitzungen sind oft erschreckend, aber sie bringen häufig große Fortschritte für die Analyse. Ich denke, auch in Ihrem Fall sind wir nun ein ordentliches Stück vorangekommen. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen und werde es nicht enttäuschen.«
    Ich wahrte ebenfalls die Form.
    »Ich danke Ihnen, Herr Dr. Lenz, und bitte, meinen Ausfall zu entschuldigen. Es geht mir nun sehr viel besser. Erstaunlich, welche Ausgeburten die Fantasie doch manchmal hervorbringt.«
    Er sah mich misstrauisch an, vermutlich war ihm der falsche Zungenschlag bei meinen Worten nicht entgangen. Lenz war schließlich kein Dummkopf. Aber um uns die weitere Zusammenarbeit zu erleichtern, ging er auf den Stil meiner Konversation ein und schob alles, was nicht in ein ordentliches Verhältnis zwischen Arzt und Patient passte, beiseite, auch die Tatsache, dass ich ihn in der Erregung beim Vornamen genannt und geduzt hatte.
    So waren wir, oberflächlich betrachtet, wieder miteinander im Reinen, als wir am nächsten Abend mit einer Mietdroschke nach Berlin aufbrachen.
    Dort bezog ich in Großvater Vanderborgs großzügiger Stadtwohnung mit sehr gemischten Gefühlen das Zimmer meiner Mutter Estelle.
    Es war wunderschön eingerichtet und Luxus pur für mich, die ich drei Jahre nichts anderes als eine karge, fensterloseZelle gewöhnt war. Vor dem hohen Fenster hingen schwere Vorhänge, die bei Tag eine angenehme Verdunklungsmöglichkeit boten.
    »Wir haben sie wegen der Lichtempfindlichkeit deiner Mutter angeschafft. Ein namhafter Dekorateur der Stadt hat sie genäht und angebracht«, erklärte Vanderborg mir mit sichtlichem Stolz. »Da du diese Krankheit wohl von ihr geerbt hast, werden sie dir ebenfalls von Nutzen sein.«
    Er deutete auf den feinen Sekretär.
    »Ein echtes Stück aus dem Biedermeier. Deine Mutter hat ihn geliebt. Viele Stunden hat sie daran gesessen, lesend oder Briefe schreibend.«
    Er strich sanft mit der Hand über die grüne Ledereinlage der Schreibplatte, so als tätschele er nicht sie, sondern die Hand seiner Tochter. »Du kannst ihn benutzen, aber ich möchte dich bitten, ihre Dokumente zu respektieren. Wenn sie zurückkommt, soll sie alles so vorfinden, wie es war, als sie es verließ.«
    Ich nickte. Natürlich. Ein wenig zusammenräumen würde ich vielleicht … damit ich Platz hatte, um für Lenz meine Erinnerungen aufzuschreiben. Für anderes brauchte ich den Schreibtisch nicht. Lesen würde ich in dem

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