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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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seine rein professionelle Fürsorge für eine Patientin.«
    Das Wort Patientin hätte ich besser nicht gebraucht, denn sofort fragte sie sichtlich alarmiert:
    »Das heißt, du bist noch gar nicht wieder ganz gesund? Warum entlässt man dich dann aus der Klinik?«
    Ich fühlte Zorn über ihre hysterische Reaktion in mir aufsteigen, unterdrückte ihn aber und sagte so ruhig wie möglich:
    »Das besprich doch mit Herrn Dr. Lenz, er wird dir erklären, dass von mir keine Gefahr ausgeht. Das ist es doch, was du hören möchtest.«
    Sie sah mich nun etwas arrogant über die Nasenspitze hinweg an, wie es Hamburgerinnen aus gutem Hause so unvergleichlich können, und meinte etwas spitz:
    »Das sollte dich doch nicht verwundern, Amanda. Nach dem, was du Hermann angetan hast, müssen wir schon sichergehen.«
    Ich lachte, um der Situation die Schärfe zu nehmen. »Natürlich, Gertrud, natürlich. Frag Lenz, wenn du nicht selber fühlst, dass ich für niemanden mehr eine Gefahr bedeute.«
    Weil auch sie das Fest nicht mit schlechter Stimmung belasten wollte, goss sie mir Kaffee nach und meinte im weihnachtlichen Geiste: »Es ist schön, dich so wohlauf und in jeder Hinsicht gereift zu sehen. Und was den Herrn Lenz angeht … ein wirklich gut aussehender Mann … Du solltest auch an die Zeit nach der Therapie denken …«
    Gertrud!
    Sie hatte sich offensichtlich nun tatsächlich in den Kopf gesetzt, mich mit Lenz zu verkuppeln, denn als wir spät am Abend aufbrachen, schob sie mir eine Einladung für ihren Silvesterball zu, die Lenz mit einschloss. Als ich es ihm in der Mietdroschke erzählte, reagierte er begeistert, und auch Großvater Vanderborg, der schon länger eine Einladung hatte, freute sich so offensichtlich darüber, dass ich keinen von beiden enttäuschen wollte und meine Einwilligung gab. Zwar heißt es, Gelegenheit macht Liebe, aber ich würde mir den Herrn Dr. Lenz schon vom Leib zu halten wissen!

Teil zwei

Wiederkehr
    Die Unterscheidung von Lust und Schmerz
Wird täglich weniger möglich
    Dorothee Sölle

D
er Silvesterball bei Hansmann war ein rauschendes Fest, für welches die Villa einen prachtvollen Rahmen bot. Über eine Freitreppe gelangte man in einen großen Empfangssaal, der mit immensem Aufwand dekoriert war. Unter einem opulenten Buffet bogen sich mit weißem Damast eingedeckte Tische, und an mehreren Bars wurden Champagner, Wein, Bier und diverse andere alkoholische Getränke ausgeschenkt.
    Für die Musik war eine Kapelle engagiert worden, die etwas erhöht auf dem Treppenabsatz postiert war, sodass man den musikalischen Star des Abends, die Sängerin Claire Waldoff, von jedem Platz im Saal aus sehen konnte, wenn sie zwischendurch immer wieder mal ein paar Nummern aus ihrem Bühnenprogramm präsentierte. Ansonsten wurde klassische und moderne Tanzmusik gespielt, und ich stellte fest, dass Lenz ein sehr guter und offensichtlich geübter Tänzer war, der sogar mich zu führen verstand.
    Als ich ihn darauf nach einem Wiener Walzer überrascht ansprach, meinte er lachend und schon ein wenig beschwipst: »Gnädigstes Fräulein, ich bin Wiener, falls das noch nicht bis zu Ihnen durchgedrungen sein sollte. Küss die Hand.« Er griff nach meiner Linken und presste mit sehr heißen Lippen einen Kuss darauf. Dann geleitete er mich mit etwas schleifendem Gang zur Champagner-Bar, ließ sich zwei Gläser reichen und drückte mir eins davon in die Hand.
    »Amanda«, sagte er mit nicht mehr ganz lockerer Zunge. »Sie sind zwar die Dame, aber ich bin der Ältere und die Autoritätsperson, darum nehme ich jetzt meinen Mut zusammen und frage Sie, wertes Fräulein, ob Sie mir die Ehre erweisen wollen, mit mir Brüderschaft zu trinken.«
    Ein kleiner Schluckauf beendete seine Ansprache undmachte die Sache sehr lustig. Zweifellos hatte er sich tüchtig Mut angetrunken, um seine professionelle Zurückhaltung überwinden zu können. Das zum Thema: Ich bin nur Ihr Therapeut! Aber ich wollte keine Spielverderberin sein, prostete ihm daher zu und sagte ein wenig albern kichernd: »Zum Wohle, Herr Doktor Lenz, ich heiße Amanda!«
    »Und ich Conrad!«
    »Wie überraschend!«, sagte ich und zitierte immer noch giggelnd aus dem Struwwelpeter . »Conrad, sprach die Frau Mama, ich geh fort und du bleibst da …«
    »Bitte nicht«, sagte er.
    »Bitte was nicht?«
    »Fortgehen! Wir müssen doch noch den Bruderschaftskuss austauschen.«
    Das hatte er sich ja fein ausgedacht! Einen Moment beschlich mich Panik, weil mir die Sache doch

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