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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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träumte.
    Ich seufzte, was ich eben noch schön gefunden hatte, erschien mir nun mit Mängeln behaftet, und ich fragte mich, an welcher Krankheit ich wohl litt, dass ich so blutarm wirkte.
     
    D
as Weihnachtsfest stand vor der Tür und wir erhielten von Tante Gertrud eine Einladung zum Festessen am Heiligen Abend. Irgendwie hatte der Großvater es arrangiert, dass Lenz ebenfalls eingeladen wurde. Vermutlich fürchtete Hansmanns Familie eine imaginäre Gefahr, die von mir ausgehen könnte, und wähnte sich so auf der sichereren Seite.
    Großvater Vanderborg war in letzter Zeit durch meine und Lenz’ Gesellschaft sichtlich aufgeblüht und hatte seine alte Zuneigung zu mir wiederentdeckt. Er schenkte mir zum Fest ein wunderschönes Kleid, das ich bei der Gelegenheit natürlich sofort anzog. Lenz, im schwarzen Anzug mit Fliege, schien mein Anblick den Atem zu rauben. Als er uns abholte, blieb er wie angewurzelt auf der Türschwelle zum Salon stehen, starrte mich an und bekam nicht einmal eine Begrüßung über die Lippen. Aber er war endlich wieder da.
    »Sieht sie nicht bezaubernd aus?«, rettete schließlich der Großvater die Situation. »Unsere kleine Amanda ist tatsächlich eine junge Dame geworden!«
    Lenz’ Erstarrung löste sich nur langsam, aber als er seine Fassung zurückgewonnen hatte, sagte er sehr charmant: »Dieses Kleid steht Ihnen vorzüglich, Amanda. Ich muss gestehen, dass mir Ihr Anblick tatsächlich für einen Moment den Atem verschlagen hat.«
    Die Ehrlichkeit in seinen Worten rührte mich, und alser mir in den Mantel half, flüsterte er mir zu: »Onkel und Tante werden sich sehr wundern, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten.«
    Ich lächelte ihm ein wenig kess zu. »Davon gehe ich auch aus. Ich denke, ihre Reaktion wird sehr amüsant sein.«
    Das war sie wirklich. Alle Familienmitglieder dieses Zweiges der Vanderborgs hatten mich natürlich noch so in Erinnerung, wie ich vor drei Jahren gewesen war, an dem Tag, als ich in die Anstalt eingewiesen wurde, und erwarteten darum vermutlich einen ungebärdigen Backfisch.
    Als stattdessen eine junge Dame ihr prunkvolles Anwesen betrat und dieses durch ihre Erscheinung fast in den Schatten stellte, blieben besonders Hansmann und den Jungen die Münder offen stehen, was ihnen einen überaus dümmlichen Ausdruck verlieh. Hansmänner eben!
    Dann jedoch überboten sich Wilhelm und Karl gegenseitig darin, mich mit Komplimenten zu überhäufen, was mir die Gegenwart von Onkel Hansmann einigermaßen erträglich machte. Obwohl es natürlich in mir brodelte, gelang es mir, Haltung zu bewahren, und auch er gab sich sichtlich Mühe, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Hermann trug meine Anwesenheit ebenfalls mit Fassung, und als alle anderen in das Esszimmer gingen, passte ich ihn ab, um mich bei ihm für den Vorfall auf Blankensee zu entschuldigen.
    »Ich war nicht bei mir, Hermann«, sagte ich und meine Zunge klebte mir dabei irgendwie pelzig am Gaumen. »Das plötzliche Verschwinden meiner Mutter, so kurz vor meinem Geburtstag … weißt du, das war irgendwie zu viel für mich … Es, es tut mir wirklich unendlich leid.« Mit seinen elf Jahren war er nun zwar viel verständiger, aber immer noch ein Kind. So schien ihm meine Entschuldigungeher unangenehm zu sein und er murmelte darum nur schüchtern: »Ja, mir auch … ist ja nicht so schlimm gewesen. Hab’s schon längst vergessen.«
    Lediglich Tante Gertrud fragte nach dem opulenten Essen, als wir im Damensalon bei einem Kaffee saßen und die Herren im Raucherzimmer qualmten, wie es mir denn in der Klinik ergangen sei. Aber noch ehe ich richtig antworten konnte, lächelte sie mich verschwörerisch an und meinte: »Und der Herr Doktor Lenz? Keine schlechte Partie, denke ich … Spinnt sich da etwas an?«
    Nichts spinnt sich an, wollte ich patzig antworten, weil es mich ärgerte, dass sie sich so distanzlos vertraulich in meine Angelegenheiten mischte. Aber genauso hatte ich sie noch in Erinnerung, und was das Schlimmste an ihr war, sie meinte es stets nur gut! Um also den labilen Familienfrieden nicht zu gefährden, hielt ich mich zurück, setzte ein sibyllinisches Lächeln auf und meinte mit einem leisen Achselzucken:
    »Er ist mein Analytiker und Therapeut. Da verbietet sich so etwas von selbst.«
    »Schade«, sagte sie und es klang ehrlich bedauernd. »Er sieht gut aus und er betrachtet dich mit sehr liebevoller Anteilnahme, sodass man denken könnte …«
    »Nein, Tante Gertrud, kann man nicht. Es ist

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