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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Sekretär. Nein, es sollte nicht der Beginn einer vampirischen Trophäensammlung werden, ich wollte es einfach als Erinnerung behalten, außerdem tat mir der Arme nun leid und er hatte ein gelegentliches Gedenken verdient. Schon allein deswegen, weil ich zum ersten Mal eine Blutmahlzeit bewusst genossen hatte, und diese Erfahrung war, ich muss es zugeben, köstlich.
     
    Offenbar hatte mein Ballbesuch bei Conrad Lenz ein wenig die Eifersucht angestachelt, denn bei der nächsten Analysesitzung fragte er mich als Erstes nach meinem Tanzpartner aus. Vermutlich hatte auch er das Foto von mir und Waldemar in der Berliner Illustrirten Zeitung gesehen. Mich stach der Hafer, und als er gar nicht damit aufhören wollte, sagte ich so trocken wie möglich:
    »Es lohnt wirklich nicht, länger über ihn zu reden, er ist nämlich tot. Graf Orlok hat ihn gebissen und ausgesaugt, man fand ihn im Garten hinter dem Palais. Du liest offenbar die falschen Zeitungen!«
    Lenz starrte mich einen Moment derart perplex an, dass ich nicht anders konnte, als in spontanes Lachen auszubrechen.
    »Ich dachte, es wäre nur ein Werbeeffekt gewesen, du meinst, der Mann ist wirklich tot?«, fragte er.
    »Mausetot und ausgesaugt, mit Bissmalen am Hals.« Ich lächelte ironisch. »Sollte es in Berlin tatsächlich Vampire geben? Meinst du, die Filmleute haben da eine Art Seuche eingeschleppt?«
    Lenz drehte den Kopf zu mir und sah mich mit gerunzelter Stirn fragend an. Und weil er immer noch so schrecklich verstört aussah, brach ich erneut in prustendes Gelächter aus.
    »Vergiss es, Conrad«, stieß ich keuchend hervor. »Du wirst recht haben, es war ganz sicher ein Werbeeinfall und der Tote nur ein angemalter Schauspieler. Schließlich ist der offizielle Kinostart erst am 15. März, da muss man das Interesse an Nosferatu noch etwas wachhalten.«
     
    Natürlich wollte auch Conrad den Film sehen und so nahm ich seine Einladung an, zusammen mit ihm den Film im Kinopalast ein weiteres Mal anzuschauen. Zum einen hielt ich es für sinnvoll, mich noch einmal mit dem Film zu konfrontieren, um herauszufinden, ob er wieder die gleiche Wirkung auf mich ausüben würde. Zum anderen fand ich, dass es nicht schaden könnte, Lenz auf diese Art vor Augen zu führen, dass es möglicherweise eine mystische Welt jenseits der Vernunft und der Freud’schen Psychoanalysegab, in der Wesen existierten, die in seinem Theoriegebäude keinen Platz hatten. Wenn ich tatsächlich ein solches Wesen sein sollte, wäre es danach vielleicht einfacher, mit ihm darüber zu reden.
    Ich muss jedoch gestehen, dass mir der Film beim zweiten Ansehen reichlich albern vorkam, und als Conrad ständig in lautes Gelächter ausbrach, was jeweils den halben Saal anzustecken schien, war mir klar, dass er nichts an diesem Spektakel ernst nehmen würde. Am allerwenigsten die Idee, dass Vampire unter uns leben könnten.
    »Ein köstlicher Spaß«, sagte er denn auch, als wir im Strom der Besuchermasse aus dem Filmpalast trieben. »Da sieht man einmal wieder, wie recht Freud hat, wenn er dem Unbewussten so viel Aufmerksamkeit schenkt. Es ist wirklich ein Ort, an dem die absonderlichsten Ausgeburten der Fantasie sich tummeln können. Jeder Künstler, ob Maler, Dichter oder Filmemacher, schöpft daraus Kreativität und Triebkraft zum Gestalten.«
    Wenn er das so sieht, dachte ich, wird es wohl stimmen, und beschloss das Thema Vampirismus jedenfalls an diesem Tag nicht mehr anzuschneiden.
    Es drängte mich aber dennoch, in Blankensee auf Spurensuche zu gehen, und da ich wusste, dass meine Mutter dort eine gut bestückte Bibliothek aufgebaut hatte, hoffte ich darin auch das eine oder andere Buch zu finden, das sich mit dem Thema Vampirismus beschäftigte. Ich erinnerte mich jedenfalls an ein sehr eindrucksvoll bebildertes Buch über Fabelwesen, aus dem mir besonders der Großvater gerne vorgelesen hatte.
    So fragte ich Conrad, ob er an einem der nächsten Wochenenden vielleicht Zeit und Lust hätte, mit mir nach Blankensee zu fahren. Er hatte beides.
     
    Lenz lieferte mich in der Brüderstraße ab, und aus einem unerfindlichen Grunde befiel mich, kaum dass ich mich zur Entspannung ein wenig auf das Bett ausgestreckt hatte, eine starke Müdigkeit. Die Augenlider wurden mir schwer und ich sank in einen tiefen Schlaf. Ich träumte …
     
    Statt Ellens Mann lag ich auf dem Bett in der dunklen Burg des unheimlichen Grafen Orlok und sah fasziniert zu, wie sich in der Wand die Tür öffnete, aus welcher der

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