Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
Vom Netzwerk:
düstere Reisende erzeugt … die Pest in Wisborg … Ellen, die Unschuld, schlafwandelnd am Fenster ihres Hauses, vor dem das Grauen in Gestalt des Grafen lauert …
    Ein wilder Bilderreigen in düsterer Ästhetik, untermalt von schaurig-schöner Effektmusik.
    Gerade erwacht Ellen, zögert, reißt die Fensterflügel auf, der Graf tritt zu ihr, greift mit seinen Krallenhänden an ihr Herz! Sie sinkt auf das Bett, und er beugt sich über ihren Hals und bedient sich an ihrem Blut, dem Blut einer reinen Seele, das ihm den Garaus machen wird, wie man sich jetzt schon denken kann. Doch dann noch eine Überraschung, es kräht der Hahn und der Graf entdeckt entsetzt, dass er den rechtzeitigen Abgang in den Sarg verpasst hat … dennoch versucht er sich am Fenster vorbeizuschleichen, durch welches das Sonnenlicht hereinfällt, vergebens …
    In einem eher unspektakulären kleinen Feuerchen verbrennt er zu Asche.
    Ob den Filmleuten am Ende das Geld ausgegangen ist? Ich hätte da ein großartigeres Spektakel inszeniert.
    Der Beifall war dennoch frenetisch.
    Ob der Film gut war oder schlecht?
    Ich vermochte es nicht zu sagen, denn ich hatte ihm nicht vollständig folgen können, da sich mir immer wiederParallelen zu meinem eigenen Leben aufdrängten. Das Gewölbe, der katatonisch steife Körper Orloks, als er im Schiffsrumpf aus seinem Sarg aufsteht und den armen Matrosen so erschreckt, dass er sich panisch ins Meer stürzt, der saugende Orlok an Ellens Hals, die Lichtempfindlichkeit … Das waren nur einige der Szenen, die ich sofort mit Erlebnissen aus meinem eigenen Leben verband und die Bilder in mir aufsteigen ließen, die sehr viel mächtiger waren als die Inszenierungen des Films, dessen Darstellung mitunter eher ungewollt komisch als unheimlich wirkte. Was wohl auch an der Technik lag. Jedenfalls war meine innere Laterna magica sehr viel ausgereifter und als Begleitveranstaltung zu Murnaus Film eine wirkliche Symphonie des Grauens.
    »Du bist so blass, Kind«, sagte Großvater Vanderborg nach der Vorführung zu mir und sah mich besorgt an. »Ist denn die Luft für dich hier wirklich so schwer zu ertragen? Wollen wir ein wenig hinausgehen?«
    Ich nickte wortlos, denn der Schock, auf diese Art und Weise von meiner wahren Natur zu erfahren, steckte mir noch gehörig in den Knochen und hatte mich, zumindest für den Augenblick, verstummen lassen.
    So bahnte uns der Großvater einen Weg durch die aufgeregt diskutierende Menschenmenge und ich sank schließlich auf einer Bank vor dem Gebäude nieder. Doch hatten wir dort nicht lange Ruhe, denn der Große Pilati tauchte mit einem Rattenschwanz von Verehrerinnen auf, die sich gar nicht genug über den Film erregen konnten.
    Schließlich jedoch lief alles wieder in den Saal, weil der Ball eröffnet wurde.
    »Komm, mein Herzblatt«, sagte Großvater Vanderborg liebevoll zu mir, »schenk mir deinen ersten Tanz.«
    Und weil ich ihm den nun wirklich nicht abschlagen konnte, raffte ich meinen schweren Rock und folgte ihm in den Marmorsaal, aus dem man inzwischen die Bestuhlung fortgeräumt hatte, um eine Tanzfläche zu schaffen. Auch er war ein guter Tänzer, und da ich inzwischen gerade beim Walzer, der in der Schrittfolge ja nicht allzu schwer ist, etwas Routine entwickelt hatte, kamen wir auch ganz leidlich über die Runde. Es dauerte nicht lange, bis sich einige junge Männer bei mir anstellten, um einen Tanz zu erbitten. Ich schob es auf meine auffallende Kostümierung, warum sollten sie sonst an mir Interesse haben? Es sei denn, Vanderborg oder der Große Pilati hatten sie geschickt, damit ich nicht als Mauerblümchen versauern musste. Jedenfalls lenkte mich das Tanzvergnügen fürs Erste davon ab, weiter über die verstörende Vermutung, die der Film in mir ausgelöst hatte, nachzugrübeln, denn es war unmöglich, sich seiner lauten und fröhlichen Dynamik zu entziehen.
    Einer der jungen Männer gefiel mir zudem ausnehmend gut, und weil er charmant war und recht schwungvoll tanzte, machte ich ihn zu meinem Herrn des Abends und schenkte ihm gleich mehrere Tänze.
    Er hieß Waldemar, und je länger wir zusammen waren, desto mehr verdrängte ich den Schock, den der Film in mir ausgelöst hatte. Und als Waldemar auch noch einige kräftige Witze über den unappetitlichen Grafen machte und die albernen Gruseleffekte verulkte, fragte ich mich, ob nicht alles, was ich an Erkenntnis gewonnen zu haben glaubte, nur durch die Illusion des Films hervorgerufen worden war und mit meinem

Weitere Kostenlose Bücher