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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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finstere Graf wenig später hervortreten würde. Aber es war nicht der Graf, der daraus hervortrat, sondern … Ich erkannte nicht wer, denn ein Nebel schob sich vor die Gestalt, bevor ich sie identifizieren konnte.
    Eine unerklärliche Unruhe trieb mich vom Bett hoch und lenkte meine Schritte mit schlafwandlerischer Sicherheit durch diverse Flure, die nun eine große Ähnlichkeit zu jenen von Gut Blankensee aufwiesen, in dessen Untergeschoss ich mich schließlich vor einer schweren Eisentür wiederfand, die mir den weiteren Weg versperrte.
     
    Ich erwachte schweißgebadet und wusste, dass ich so schnell wie möglich nach Blankensee fahren musste, um diese Tür zu finden und das Geheimnis, das hinter ihr verborgen lag, zu lüften.
    So war ich sehr froh, dass ich mit Conrad bereits einen Ausflug auf das Gut verabredet hatte.
    Sein Besuch am nächsten Tag passte mir diesmal also besonders gut. Kaum hatte er den Salon betreten, begrüßte ich ihn mit viel Überschwang und erzählte ihm, noch bevor ich überhaupt auf der Analysecouch lag, von meinem Traum.
    »Wir müssen auf Blankensee unbedingt herausfinden,was für ein Geheimnis hinter dieser Tür steckt«, sagte ich aufgeregt, worauf Conrad mich lächelnd bat, mich doch erst einmal hinzulegen und dann ganz in Ruhe und möglichst genau meinen Traum zu schildern. Nur so könne er unterscheiden zwischen Nachwirkungen des Films und eventuellen Erinnerungen aus meinem Unterbewusstsein.
    Ich war so erregt, dass es mir wirklich schwerfiel, seiner Anweisung Folge zu leisten, aber mit einem resignierenden Seufzer tat ich schließlich wie geheißen.
    Wieder einmal fiel mir auf, dass Conrad manchmal ein regelrechter Langweiler war, und es passte mir gar nicht, als er sagte: »Amanda, wir sprechen über einen Traum! Das heißt, dass diese Tür nicht wirklich existieren muss. Sie kann ein Symbol für etwas sein, zum Beispiel für das Tor zu deinem Unterbewusstsein, das du unbedingt öffnen willst, um zu verborgenen Erkenntnissen über dich vorzudringen …«
    Er nun wieder! Alles musste nach Schema »Freud« ablaufen!
    Symbol?! Verborgene Erkenntnisse? Was redete er denn da für einen Unfug! Die Erkenntnisse waren mir selten so klar zugänglich gewesen wie gerade jetzt, und dass es diese Tür auf Blankensee tatsächlich gab, würde ich ihm in Kürze beweisen!
    Ich mochte Conrad Lenz wirklich sehr, aber manchmal war er mir einfach zu … zu … wissenschaftlich!
    Conrad machte sich fleißig Notizen zu meinem Traum, war dann aber erstaunlich schnell bereit, den Rest der Sitzung in Großvater Vanderborgs Herrenzimmer zu verlegen, wo bereits der Tee dampfend auf dem Serviertisch neben den Kaminsesseln wartete. Während ich einschenkte,begannen die Männer über die immer prekärer werdende wirtschaftliche Lage zu diskutieren. Der Großvater ereiferte sich an diesem Tag wieder einmal besonders, was daran lag, dass an der Ruhr und im Saarland die Arbeiter immer unzufriedener mit ihrer Situation waren und das Gerücht eines baldigen Generalstreiks in der Luft hing.
    »Die gigantischen Reparationsforderungen der Alliierten sind von unserer jungen Republik nicht mehr zu leisten«, wetterte er. »Die Reichsmark verliert täglich an Wert, kaum einen Arbeiter macht sein Lohn noch satt. Die Preise steigen ins Uferlose und die Löhne hinken hinterher. Aber alle Versuche, die Reparationsleistungen an die reale Wirtschaftskraft der Republik anzupassen, scheitern bislang am französischen Veto. Das ist Vernichtungspolitik! Reine Rache für 1870/71. Kein Wunder, dass die Arbeiter im Ruhrgebiet da nicht mehr mitmachen und die Kohle- und Stahllieferungen an die Siegermächte verweigern.«
    »Aber das ist doch keine Lösung«, gab Conrad, wie immer ausgleichend, zu bedenken. »Immerhin haben wir den Krieg begonnen und müssen darum auch zur Behebung der Schäden beitragen.«
    »Dagegen ist ja nichts zu sagen«, gab der Großvater zu. »Aber in einem vernünftigen Maße. Das Volk blutet aus und der totale Zusammenbruch der Wirtschaft wird niemandem nützen. Das ist doch reine Schikane des Franzmanns!«
    Die beiden diskutierten noch eine Weile weiter, aber da ich den Argumenten nicht mehr folgen konnte, blätterte ich in einer Zeitschrift für Lebensart und Mode, deren Inhalt ganz im Gegensatz zu dem stand, was der Großvater über die Verarmung der Republik gesagt hatte. Hier zeigtesich eine verschwenderische Wohlhabenheit in Baustil, Dekoration, Mode und Luxusautos. Während das Volk sich kaum noch

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