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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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er uns wirklich eine Hilfe sein würde, fand ich es sinnvoll, ihn mitzunehmen. Er konnte sich zumindest um Großvater Vanderborg kümmern, von dem ich befürchtete, dass ihn diese Expedition an den Ort seiner größten Niederlage überfordern könnte. Keiner konnte vorhersagen, was der Anblick der zerstörten Vampirfangmaschine auf dem Friedhof von Przytulek in ihm auslösen würde. Zwar hatte ihn niemand über die schlimmste Folge seines gescheiterten Experimentes aufgeklärt, aber auch ohne das Wissen, dass durch seine Schuld Estelle zu einer Vampirin geworden war, schien mir die Reise an diesen Ort ein hohes Risiko für ihn darzustellen. Doch Conrad war Arzt, sodass mein Großvater im Notfall wenigstens in guten Händen war.
    Friedrich blieb skeptisch.
    »Rede es ihm aus!«, sagte er zu mir. »Es ist eine Familiensache, er stört und ist uns nicht von Nutzen.«
    Das sah ich anders, beschloss aber noch einmal in Ruhe und unter vier Augen mit Conrad über die Angelegenheit zu reden.
     
    Lenz war immer sehr wissenschaftlich, sehr analytisch. In allem, was man sagte und tat, vermutete er einen tiefer liegenden Sinn, der sich für mich eher unmittelbar und meist auf der Hand liegend erschloss. So fragte ich also etwas ungeduldig:
    »Nun, Conrad, was gäbe es für Gründe, mit denen ich Onkel Friedrich überzeugen könnte, deiner Teilnahme an unserer Reise doch noch zuzustimmen?«
    Ich hatte überlegt, ob ich ihm von dem vampirischen Zweig der Vanderborgs erzählen sollte, aber Friedrich riet mir entschieden ab.
    »Du kannst von ihm als einem Jünger Freuds nicht verlangen, dass er seinen Meister durch die Akzeptanz einer Kausalität verrät, die dieser nicht einkalkuliert hat. Wie ich ihn verstanden habe, beruhen deine Probleme ausschließlich auf einer missglückten Mutter-Kind-Beziehung. Schon ihm klarzumachen, dass deine Mutter eine Vampirin ist, dürfte schwierig werden.«
    Genau auf die gestörte Mutter-Kind-Bindung wollte Conrad aber bei unserem Gespräch noch einmal hinaus.
    »Wenn du deine Mutter in den Karpaten triffst, ist das die Chance für dich, endlich mit ihr und dir ins Reine zu kommen. Es wäre geradezu verwerflich, sie nicht zu nutzen und dich weiterhin, mit dem Trauma deiner Kindheit belastet, durch das Leben taumeln zu lassen. Bis das nicht aufgearbeitet ist, kannst du nie sicher sein, dass dich nicht wieder diese animalischen Triebe überfallen und dir ein freies und selbstbestimmtes Leben unmöglich machen.«
    Er sah mich sehr liebevoll und fürsorglich an.
    »Du meinst also, diese Reise könnte entscheidend zu meiner seelischen Gesundung beitragen, und deswegen würdest du mich begleiten wollen?«
    »Aber selbstverständlich, Amanda. Als dein Psychotherapeut und …«, er stockte kurz, »… Freund, werde ich alles unterstützen, was dir hilft, in ein normales und … ich betone es … glückliches Leben zurückzufinden.«
    Ich schaute ihn skeptisch an. Wer hatte ihm eingeflüstert,dass ich je ein glückliches Leben gehabt hatte, in das es sich lohnte zurückzukehren?
     
    Doch, es gab Glücksmomente und Blankensee war für mich ein Hort. Bis die Verwandtschaft bei uns einzog und das Glück vertrieb. Jedenfalls schien es sich beim Anblick von Hansmanns Familie sofort aus dem Staub gemacht zu haben.
    Mein Vater Amadeus verließ uns, um an die Westfront zu gehen, und niemand ritt mehr mit mir aus. Eine Zeit lang versuchte ich das Glück noch festzuhalten, indem ich abends oder in der Nacht mein Lieblingspferd Baldur sattelte und alleine hinunter zum See ritt. Dort trat der Hengst zum Wasser, trank und schüttelte leise schnaubend den Kopf. So als wollte er sagen, was machen wir hier alleine?
    Und er hatte recht. Das Glück ließ sich nicht halten. Die schönen Stunden, die ich hier mit meinem Vater verbracht hatte, waren Vergangenheit, und ich sah sie sich im silbrigen Licht des Mondes, das auf dem Wasser lag, auflösen und verschwinden … unwiederbringlich.
    Als sie die Pferde abholten, um sie auch noch in den Krieg zu schicken, brachte es mich fast um den Verstand.
    Das Glück hatte Blankensee unwiderruflich verlassen, und auch meine Mutter Estelle hatte das wohl gespürt, denn sie vergrub sich immer mehr in sich selbst und wandelte durch die Räume wie ein lebender Leichnam. Damals wusste ich noch nicht, dass sie ein Untote war, und so versuchte ich immer wieder, bei ihr ein wenig von dem zu finden, was Blankensee zu einem Hort der Hoffnung für uns gemacht hatte: die Unerschütterlichkeit der

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