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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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noch über die Gewalt, mit der er meine Mutter Estelle hierher verschleppt hatte, informiert waren.
    Wenn Utz am nächsten Tag in die Tagesmüdigkeit der Vampire verfiel und vermutlich auch die anderen ruchlosen Bewohner der Burg dem Licht weichen mussten, sollten Lenz und Vanderborg Estelle befreien und aus der Burg schmuggeln, sobald die Abenddämmerung aufzog. Das Unternehmen blieb riskant, aber die Rollen waren verteilt, die Strategie festgelegt und die Sache abgemacht.
    Die Männer stießen darauf an und Friedrich bot Lenz das Du an. Das freute mich sehr, weil ich mir natürlich wünschte, dass sich die beiden wichtigsten Männer in meinem Leben gut verstanden.
    Für den Fall, dass die Burg tatsächlich verflucht sein sollte, was für mich außer Frage stand, versorgten sich Großvater Vanderborg und Conrad dann noch mit Kruzifixen, die über das ganze Wirtshaus verteilt waren. Daes davon reichlich gab, wurde mir ihre Nähe zunehmend unangenehm und ich bat: »Steckt das Zeug weg. Es muss ja niemand sehen. Sonst ist es ja keine Geheimwaffe mehr.«
    Conrad sah mich fragend an, aber auch jetzt brachte ich es nicht über mich, ihm meine vampirische Natur zu offenbaren. Vielleicht war das ein Fehler.
    Niemand von uns wollte eine weitere Nacht in dieser Spelunke verbringen, und so hatten wir beschlossen, uns noch am selben Abend umgehend und wagemutig in die Höhle des Löwen zu begeben.
    Wir schafften unser Gepäck zurück ins Automobil und fuhren bis zum Friedhof. Natürlich brannte der Großvater darauf, nach seiner Vampirfangmaschine zu sehen, und auch ich war sehr neugierig auf dieses technische Teufelswerk, welches das Schicksal der Familie Vanderborg so tragisch beeinflusst hatte. Aber das Einzige, was wir fanden, war ein Haufen Schrott, von Efeu derart überwuchert, dass wir ihn fast übersehen hätten. Offenbar hatten die Dorfbewohner ganze Arbeit geleistet und die Maschine gleich nach der Abfahrt der Vanderborgs zerstört. Der Großvater war untröstlich, aber da die Zeit drängte, zog ich ihn ins Auto, bevor er in Tränen ausbrechen konnte. Friedrich verbarg sich zwischen den Grabdenkmälern, um bei Radke oder Utz keinen Argwohn zu erwecken, und Lenz, den keiner der beiden kannte, betätigte sich als unser Chauffeur und fuhr den steilen Hang hinauf bis vor das große Eingangsportal der Burg.
    »Und du bist sicher, dass ihr alleine zurechtkommt, Amanda?«, fragte er mich liebevoll besorgt, als er uns mit kleinem Gepäck vor dem Burgtor absetzte. Ich zuckte die Schultern, denn ich wusste es ja wirklich nicht. Dennoch schickte ich ihn zurück zu Friedrich.
    »Ich verlasse mich auf euch und dass ihr uns umgehend in die Burg folgt.«
    Er wirkte nicht wirklich zufrieden mit der Situation und bestand darauf, wenigstens noch so lange zu bleiben, bis er sicher sein konnte, dass die Burg überhaupt bewohnt war.
    Das war mir ganz lieb, denn irgendwie schienen wir vom Regen in die Traufe gekommen zu sein – die Burg machte einen nicht weniger maroden Eindruck als das Gasthaus des Ortes. Die Mauern waren von Moosen und Flechten und schlingenden Pflanzen wie Efeu und Baumwürger fast vollkommen überwuchert und das Holz des Tores war stellenweise gesplittert und verrottet. Es wirkte wie das Schloss eines bitterbösen Zauberers aus einem gruseligen Märchen.
    Großvater Vanderborg betrachtete konsterniert das Tor und meinte unangenehm berührt:
    »Kaum vorstellbar, dass ein reicher Mann wie Utz hier wohnen soll! Vermutlich hat der Radke uns einen Bären aufgebunden und sich samt Hansmanns Geld aus dem Staube gemacht.«
    »Aber der Brief, es ist die Handschrift meiner Mutter, und was hätte Radke davon, uns hierher in die Karpaten zu locken und selbst vielleicht schon mit dem Geld in Amerika zu sein? Traust du dich nicht hineinzugehen?«
    Der Großvater zögerte tatsächlich.
    »Ehrlich gesagt finde ich es nun doch recht unheimlich, und wenn ich an Friedrichs Erzählung denke, war das Erlebnis, das er hier hatte, nicht von der Art, dass man es wiederholen müsste.«
    »Aber du musst, Großvater! Die Sache ist beschlossen, und wenn es nur eine winzige Chance gibt, Mutter hier zu finden, dann gibt es kein Zurück.«
    Ich wandte mich an Lenz. »Komm, hilf mir!«
    Ich versuchte mit gutem Beispiel voranzugehen und beherzt das Tor aufzustoßen, aber es war selbst für eine Vampirin viel zu schwer. Fast zwei Meter hoch und mindestens drei Meter breit ließ es sich, obwohl nur noch morsch in den Angeln hängend, nicht bewegen.

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