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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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mich auch schon davor. Nicht weil er grundsätzlich verkehrt war, sondern weil ich dabei war, Utz regelrecht auf den Leim zu kriechen, nur weil er mich geschickt mit ein bisschen Luxus geködert hatte. Kopfschüttelnd ging ich ins Bad und sah mir vor dem Spiegel selber tief in die Augen und fragte mich, welch unseliger Geist sich an diesem Ort am Verstand jener delektierte, die hier als seine ahnungslosen Opfer hereinstolperten.
     
    Man überließ uns bis zum späten Abend uns selbst, und da Vanderborg in seinem Alter nach der unruhigen Nacht und viel schlechtem Alkohol ruhebedürftig war, legte er sich etwas nieder. Ich fürchtete mich jedoch bald vor dem Alleinsein und hockte mich alles andere als entspannt in den Sessel an den Kachelofen, welcher das für uns so tödliche Element Feuer sanft domestizierte, sodass es eine unleugbare Gemütlichkeit in das Zimmer ausstrahlte.
    Sollte das die Handschrift meiner Mutter sein? Hatte sie sich mit Utz vielleicht doch ausgesöhnt und führte nun hier ein fürstliches Haus? Ich war völlig verwirrt und konnte mir auf all das keinen Reim machen. Hass und Gewalt hatte ich erwartet und fand nun Wärme und gastfreundliches Willkommen vor.
    Ich verlor jedes Gefühl für die Zeit und schreckte auf, als es wieder klopfte. Dana brachte eine Karaffe mit rotem Inhalt und gab eine Karte ab, mit der uns Estelle und Karolus Utz zum Dinner in den Bankettsaal baten. Abendkleidung erwünscht. Sie war handschriftlich und von beiden unterzeichnet.
    »So ist Estelle also tatsächlich hier«, sagte der Großvater erfreut, »und sie scheint wohlauf zu sein, sonst würde sie uns wohl kaum zum Dinner bitten.«
    Ich bemerkte, wie er begierig zu der Blutkaraffe schielte, weil er ihren Inhalt offenbar für Rotwein hielt. Auch wenn er mich als unfreundlich empfand, davon konnte ich ihm beim besten Willen nichts anbieten, und so komplimentierte ich ihn wieder aus meinem Zimmer hinaus.
    »Ein Dinner?!«, rief ich exaltiert aus. »Dann muss ich aber noch schleunigst meine Haare waschen!« Und weil mein Großvater das als typisch weiblich akzeptierte, ließ er mich alleine.
    Ich sank schwer atmend auf das Diwanbett. Und wie zuvor das Glas schien mich nun die Blutkaraffe anzusehen und wie im Märchen zu sagen: »Bitte, bedien dich!«
    Aber abgesehen davon, dass ich an diesem Ort nichts mehr trinken wollte, von dem ich die Quelle nicht kannte, ärgerte es mich, dass Utz so leichtes Spiel mit mir haben sollte.
    Andererseits war meine Gier, nach dem knoblauchverseuchtenBlut des Wirts, noch einmal so einen schmackhaften Trunk wie zuvor genießen zu können, kaum noch zu zügeln. Mir lief der Speichel im Munde zusammen. Und wieder war es, als spräche die Karaffe zu mir: »Du weißt nicht, was dir entgeht.« Ich wurde schwach. Mit zitternden Händen goss ich mir ein und trank das Glas erneut in einem Zug leer. Ich kam mir vor, als hätte mich der Tremor der Alkoholkranken gepackt, von denen ich in der Klinik einige im Entzug kennengelernt hatte. Nah am Wahnsinn hatten sie nach Wein, Bier und Schnaps geschrien, sich die Köpfe an den Wänden blutig gerammt und dann nur noch in einer Ecke zusammengekauert gehockt, am ganzen Körper zitternd, sabbernd, jammernd – ein würdeloser Anblick. Diese Erinnerung holte mich wieder zurück auf den Boden der Realität und ich fand mein Verhalten fast schon pervers.
    Mit bebenden Händen goss ich den restlichen Inhalt der Karaffe in den Ausguss des Waschbeckens, wobei mich tiefe Traurigkeit überfiel. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, woher das Blut wohl stammte …
    »Dann tu es nicht, Amanda«, flüsterte mir eine innere Stimme zu, und wieder fragte ich mich, was in dieser Burg hauste, das meinen kritischen Verstand so außer Kraft zu setzen drohte?
     
    Das Dinner stellte uns allerdings vor ein Problem, denn weder Vanderborg noch ich hatten für diese abenteuerliche Expedition Abendkleidung eingepackt. Wer hätte auch einen solch luxuriösen Lebensstil auf der Burg erwarten können? Aber Utz schien auch das einkalkuliert zu haben, denn noch ehe wir uns ernstlich darüber Gedanken machen konnten, brachte uns das Mädchen angemesseneGarderobe in passenden Größen. Ich erinnerte mich, in der Chronik gelesen zu haben, dass Utz meiner Mutter zu dem Kostümball, auf dem er seine Verlobung mit ihr verkünden wollte, ebenfalls ein Kleid geschickt hatte. Obwohl sie dieses Geschenk erst nicht annehmen wollte, war sie dem Zauber des überaus exquisiten Stückes erlegen

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