Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
der mir etwas hinterherrief, was ich aber gar nicht mehr verstehen wollte und somit auch nicht aufnahm. Ich hoffte nur, während ich die Röcke schürzte und eilig zu der Stelle rannte, wo Mathias mit der Kutsche auf mich wartete, dass das Feuer das ganze Bordell in Schutt und Asche legen möge, damit sämtliche Spuren meiner Bluttaten durch die Flammen vernichtet würden. Denn sollte Utz je erfahren, wer seine Geliebte getötet hatte, würde er mir bei lebendigem Leib die Haut in Streifen von Leibe schneiden. Dessen war ich gewiss, auch wenn er kein Przytulek war!
In Blankensee schlich ich mich leise in mein kleines Badezimmer, warf die verräucherten und blutbespritzten Kleidungsstücke von mir und wusch mich so lange von Kopf bis Fuß, bis der Gestank verschwunden war und ein Duft von Rosen und Lavendel mich sanft und beruhigend umhüllte. Ich wickelte ein Handtuch um meine feuchten Haare, schlüpfte in meinen Morgenrock, nahm Mantel, Kleid und Unterröcke und ging hinunter in die Waschküche, wo ich alles zusammen in den Zuber warf, Wasser und Seifenpulver darübergab und in der Lauge zum Einweichen stehen ließ.
Dann kochte ich mir in der Küche einen Tee und setzte mich in eine Decke gehüllt damit in den alten Lehnstuhl in meinem Zimmer. Mein Atem flatterte noch ein wenig und mein Herz schlug schneller als normal. Ich schloss die Augen und legte die Hand auf meinen Bauch. Nichts rührte sich. Das Kind in meinem Leib schien ruhig zu schlafen. Und obwohl ich noch immer nicht wusste, wer sein Erzeuger war, hüllte ich es mit einem liebevollen Gedanken ein und wünschte ihm süße Träume.
Schlaf, mein Kindchen, schlafe ein,
am Himmel steh’n die Sternelein,
sie stehen auch über Afrika,
bald ist dein Vater wieder da.
Schlaf, Kindchen, schlaf.
U tz raste. Allerdings nur einerseits, andererseits trauerte er, denn offenbar hatte er, was ich niemals für möglich gehalten hätte, Madame Chantal ebenso geliebt wie sie ihn. Es schien geradezu so, als wären die beiden ebenso füreinander geschaffen gewesen wie Amadeus und ich.
Warum nur, fragte ich mich, hatte es zu dieser unglückseligen Heirat zwischen Utz und mir kommen müssen? Sie war so sinnlos und erzeugte so viel unnützes Leid.
Aber das Schicksal wusste, was es tat, und es sollte sich als noch sehr viel grausamer erweisen, als es jetzt schien.
Friedrich und Vanderborg kamen am Tag nach dem Brand in Madame Chantals Bordell nach Blankensee, brachten die neuesten illustrierten Zeitungen und Nachrichten mit und hatten aus eigener Kenntnis und Anschauung vieles zu berichten. Es sei von einem gewöhnlichen, nicht allzu großen Brand die Rede gewesen, wie er in Berlin jede Nacht mehrfach ausbrach, weil offenes Licht und unbewachte Feuerstellen in den Mietskasernen gang und gäbe waren. Doch dann habe man, nachdem der Brand schnell unter Kontrolle war, die Leichen von Madame Chantal und einem zunächst unbekannten Mann entdeckt, der, wie sich später herausstellte, ein reisender Geschäftsmann aus Schottland war. Beide seien jedoch, wie die Leichenbeschau ergab, nicht etwa Opfer des Feuers geworden und an einer Rauchvergiftung gestorben, sondern, noch bevor sie im Qualm ersticken konnten, Opfer jenes mysteriösen Serienmörders geworden, der durch ganz Berlin seine blutige Spur zog. Wieder zitterte Berlin in der von Radke geschürten Vampirhysterie.
Da Utz immer noch mein Ehemann war, musste ich mich irgendwie zu der Sache verhalten, und sosehr es mir zuwider war, so sehr gehörte es sich auch unter zivilisierten Menschen, sich das Beileid angesichts einer solchen Tragödie auszusprechen. Ich schickte also auf Vanderborgs Anraten hin eine schlichte Karte. Zu mehr sah ich mich nicht imstande und es wäre mir auch wie ein Hohn auf die Tote vorgekommen, deren Mörderin ich war.
Utz hatte seine Geliebte im Foyer seines Hauses aufbahren lassen. »Eine …«, wie Friedrich fand, »Peinlichkeit sondergleichen«, da sie immerhin eine stadtbekannte Hure und er schließlich immer noch mit mir verheiratet war. Was Utz aber nicht hinderte, Tag und Nacht an ihrem offenen Sarg die Totenwache zu halten.
»Das geht nun schon eine Woche«, berichtete Vanderborg, »und halb Berlin zerreißt sich das Maul darüber. Der Mann ist wie von Sinnen. Er isst nicht, schläft nicht und ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Das Einzige, was er tut, ist stumm kistenweise Champagner in sich hineinzuschütten!«
Und Friedrich meinte despektierlich: »Wenn die Leiche nicht bald unter
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