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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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konnten wir doch deswegen nicht verdursten.
    Ich ließ mich also in der Nacht nach Berlin kutschieren, und weil man mir unter dem weiten Mantel die Schwangerschaft nicht ansah, fiel es mir wie immer leicht, Anschluss zu finden. Er hieß Duncan, war ein gestandener Mann und gut situierter Schotte, der geschäftehalber nach Berlin gereist war und für sein Vergnügen durchaus etwas springen lassen wollte. Als er darum nach ein paar Runden Champagner vorschlug einen intimeren Ort aufzusuchen, war mir das nur recht für mein eigenes Vorhaben.
    Er führte mich also in ein Etablissement, in dem er wohl schon in den Tagen zuvor seine Lust bei käuflichen Damenbefriedigt hatte, denn für ein normales Hotel sah es doch zu erotisch und mit rotem Plüsch zu überladen aus. Wäre ich etwas aufmerksamer gewesen, hätte ich gewiss das Bordell der Madame Chantal erkannt, denn schließlich hatte ich mich ja schon einmal mit Amoz hier aufgehalten. Aber da Duncan ein höchst amüsanter Unterhalter war, den ich zwar, weil er nur sehr gebrochen Deutsch sprach, ständig missverstand, was immer wieder zu neuen lautstarken Heiterkeitsausbrüchen bei ihm führte, achtete ich recht wenig auf Weg und Umgebung. Ich störte mich auch nicht daran, mit ihm ein Zimmer in einem Freudenhaus aufzusuchen, denn viele dieser Etablissements vermieteten Zimmer stundenweise, was meist den Zweck erfüllte und auch für meine Pläne vollkommen genügte. Ja, die Anonymität war in einem solchen Hause sehr viel besser gewahrt als in einem Hotel, in das man kaum ohne das Ausfüllen einer Registrierung hineinkam.
    Auch warnte mich diesmal nicht mein sonst untrüglicher Instinkt, der mir so oft schon, noch bevor eine kritische Situation überhaupt eingetreten war, durch erhöhte Wachsamkeit manches erspart hatte. Diesmal jedoch war mein Blutdurst im Laufe der Nacht so gewaltig geworden, dass ich alles andere darüber vergaß und Duncan arglos und lüstern folgte. Kaum hatten wir das Zimmer betreten und die Mäntel abgelegt, fiel ich auch schon über ihn her, riss ihm wie in einem Anfall wilder Leidenschaft den Kragen vom Hals und biss mit höchster Gier hinein. Duncan war so perplex, dass er sich dies ohne Gegenwehr gefallen ließ, vielmehr presste er sich, während ich an ihm saugte, gegen mich und stöhnte lustvoll auf, weil er meinen Angriff wohl für eine spezielle Berliner Perversion hielt, und stammelte: »Oh yeah, Darling, gimme more …«, dann sank erauf das Bett und ich labte mich weiter an seinem Blut, das einen untergründigen Beigeschmack von Whisky hatte, der in alten Eichenfässern gereift war.
    Ich war eben dabei, Duncans Leichnam unter das Bett zu schieben, damit man ihn nicht so schnell entdeckte, als im Flur vor dem Zimmer ein Aufruhr losbrach und hastige Schritte und laute Schreie zu hören waren. Und noch ehe ich selbst hinaustreten und nach der Ursache sehen konnte, trommelte jemand an meine Tür und schrie mit hysterischer Stimme: »Raus, raus hier, es brennt! Feuer!!«
    Ich stürzte nun doch zur Tür, um mich zu vergewissern, was an der Warnung dran sei, und als ich sie einen Spalt geöffnet hatte, drang der Geruch von Rauch herein und sie wurde mit Gewalt nach außen aufgerissen. Ich dachte, der Schock müsste mich auf der Stelle zur Salzsäule erstarren lassen, als vor mir in einer Dunstwolke aus Qualm und Rauch niemand anders stand als Utz’ Geliebte – Madame Chantal! In großer Sorge um ihre Gäste hatte sie sich aufgemacht, höchstpersönlich zu kontrollieren, ob auch alle Freier mit ihren Gespielinnen vor dem herannahenden Feuer ihre Spielwiesen verlassen hatten. Sie erkannte mich sofort, auch wenn sie sich gewiss keinen Vers auf meine Anwesenheit in ihrem Haus machen konnte.
    »Frau Utz!«, entfuhr es ihr daher nur höchst erstaunt, und weil sie durch die sperrangelweit offen stehende Tür einen freien Blick ins Zimmer hatte, entdeckte sie natürlich sofort die Beine des nur halb unter dem Bett liegenden Schotten. Statt unnötige Fragen zu stellen, schien sie die Sache diskret behandeln zu wollen, und während sie auch schon, ganz Frau der Tat, ins Zimmer trat, fragte sie lediglich routiniert, weil diese Dinge wohl ständig bei ihr vorkamen: »Was ist mit ihm? Er muss hier raus! Ist er besoffen?«
    Ich nickte. »Ja, ja, er ist betrunken, ziemlich … und gerade vor dem Bett zusammengebrochen … ich wollte soeben Hilfe …« … holen, wollte ich sagen, als sie schon bei ihm war und ihn an den Beinen unter dem Bett

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