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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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hervorzog.
    Sie starrte irritiert auf seinen blutüberströmten Hals, drehte sich dann zu mir und stammelte schockiert und leichenblass unter ihrem dick aufgetragenen Rouge: »Ihr seid die Bestie?! Das … das Blut an Eurem Mund … es verrät Euch …« Ich wischte mir mit dem Handrücken mechanisch über die Lippen und tatsächlich klebte noch Blut daran. Ich war enttarnt. Tausende panikartiger Gedanken und Gefühle stürzten gleichzeitig auf mich ein, doch nichts davon war geeignet, mich zu beruhigen und mir einen Ausweg aus dieser mehr als misslichen Situation zu weisen. Vermutlich, weil es keinen gab.
    Draußen lauerte das Feuer und hier drin meine ärgste Feindin. So feindlich, wie Madame mir gesinnt war, würde sie diesen Trumpf nicht mehr aus der Hand lassen und unter allen Umständen versuchen mich der Gendarmerie zu übergeben. Denn um zu erkennen, dass sie in mir die gesuchte Serienmörderin auf frischer Tat ertappt hatte, dazu bedurfte es angesichts der klaren Indizienlage keiner besonderen Intelligenz und Kombinationsgabe.
    So gab es nur einen Ausweg für mich, ich musste mir diese Zeugin vom Hals schaffen, und zwar sofort, ehe die Feuerwehr in das Haus eindrang und uns hier mit der Leiche des Schotten zusammen vorfand. Und weil mein Hass auf sie ohnehin übermächtig war, stürzte ich mich ohne Rücksicht auf das Ungeborene in meinem Leib wie eine Furie auf sie, riss ihr den Kopf an ihren roten Haaren zurück und hieb meine Zähne mit einer unglaublichen Wucht in ihren zweifellos sehr schönen Hals, dass esmich selber schmerzte. Sie schrie auf und wehrte sich, wie ich es nicht anders von ihr erwartet hatte, doch einen so energischen und verzweifelten Kampf hatte ich mir nicht vorgestellt. Sie umklammerte meinen Hals und ihr Würgegriff war bald dermaßen eng, dass ich ihr Blut nicht mehr schlucken konnte und es von mir spie, geradewegs in ihr stark geschminktes Gesicht, aus dem mich die mit schwarzem Kajal modisch umrandeten Augen schreckgeweitet anstarrten. Wir rangen noch eine Weile wortlos und mit all unserer Kraft und jede von uns mit gleichermaßen unbändigem Überlebenswillen, doch rann ihr Leben mit dem Blut ihrer Halsschlagader aus ihr heraus und schließlich ermattete sie, ihre Hände an meinem Hals lockerten sich und sie sank zu Boden, wo sie die letzten Atemzüge tat und sterbend den verhassten Namen meines Mannes hauchte: »Karolus …«
    Das schmerzte mich, denn wenn wirklich, wie man sagt, der letzte Gedanke vor dem Tod dem Liebsten gilt, was man auf Erden hatte, so musste sie den Utz wohl auf ihre Art herzlich geliebt haben, und diese Liebe neidete ich ihm.
    All dies war während weniger Minuten geschehen und spielte sich verborgen hinter dem Qualm ab, welcher durch die Tür hereingedrungen war und das Zimmer vernebelt hatte. Ich goss mir Wasser aus dem Waschkrug über die Hände, um das Blut von ihnen abzuspülen und wischte auch über mein Gesicht. Dann raffte ich meinen Mantel an mich und stürzte davon, ehe mich jemand entdecken konnte. Doch als ich am Treppenaufgang ankam und in das Foyer blickte, stand dort ein Menschenauflauf, in dem ich Feuerwehrleute und Polizei erkannte. Dort würde ich wohl kaum vorbeikommen, ohne dass man meine Identität kontrollierte. So hastete ich denn hustend durch den Qualm ineinen anderen Flügel des Gebäudes, um vielleicht ein zweites Treppenhaus, wie man es oft für Dienstboten hatte, zu finden. Allein so herrschaftlich war das Bordell denn doch nicht gebaut, und so saß ich in der Falle und hörte über mir schon das Feuer im Gebälk knistern.
    Voll Panik trat ich in eins der Zimmer, und obwohl ich vor seiner sadomasochistischen Ausstattung mit Ketten, Lederpeitschen und hölzerner Schulbank zurückschreckte, durfte mich die jetzt nicht kümmern. Ich eilte zum Fenster und stellte erleichtert fest, dass es zum Hinterhof hinausging und nur einen Meter von mir entfernt eine eiserne Feuerleiter an der Hauswand befestigt war. Ungeachtet meiner Umstände kletterte ich aus dem Fenster und balancierte, nun doch ein wenig behindert durch meinen starken Leib, etwa fünf Meter über dem Erdboden auf einem Fenstersims und an ein umlaufendes Rohr geklammert zu der rettenden Leiter hinüber, um dann, von dem aufgescheuchten Mob an der Vorderseite des Gebäudes unbemerkt, an ihr hinunter in den Hof zu steigen. Kaum war ich unten und in den dunklen Torbogen geflüchtet, der zu einer Seitenstraße führte, tauchte oben am Fenster der Kopf eines Feuerwehrmannes auf,

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