Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
Verwandlung folgen! So etwas vermag nur ein großer Magier, ein sehr mächtiger Fürst der dunklen Seite.«
Ich fiel ihm ins Wort. »Amanda vermochte es! Sie hat Lysander ebenfalls gezähmt und hätte auch Conrad bezwungen, wenn nicht der Schwarze Mond sein Leben ausgelöscht hätte!«
»Lysander war ein Kind! Ihr Kind! Sie war die Führerin des Rudels, er stand im Rang weit unter ihr, er musste ihr gehorchen. Was Conrad angeht … Niemand weiß, wer diesen Kampf gewonnen hätte, wenn die Mondfinsternis nicht dazwischengekommen wäre. Du kannst doch nicht allen Ernstes glauben, dass du als Mensch einen von Utz’ Werwölfen bezwingen könntest? Das ist Hybris! Amanda war eine starke Vampirin und dennoch hat Utz sie nach Berlin in seinen Kerker verschleppt. Du würdest scheitern und qualvoll zugrunde gehen … und nicht Utz!«
»Aber wir sind zu zweit und du bist ebenfalls ein Vampir und genauso stark wie Utz … Ich habe Freunde … Du solltest das nicht gering schätzen.«
Aber Amadeus schien immer noch anderer Meinung zu sein und das begann mir langsam doch Angst einzuflößen.
»Louisa, wir sind allein auf uns gestellt. Ja, wenn Amanda noch lebte oder Friedrich hier wäre, dann hätten wir eine Chance, aber so …«
Ich war sein Lamentieren leid. Vermutlich diente seinganzes Gejammer wieder nur dem einen Ziel, mich doch noch zu einer Vampirin zu machen, damit ich für alle Ewigkeit seine Gefährtin sein konnte. Aber dazu war ich nicht bereit, jetzt nicht und vermutlich niemals. Was ich über die Vampirfrauen der Vanderborgs gelesen hatte, erschien mir alles andere als verlockend zu sein, sondern war ein entsetzlicher Fluch.
Also sagte ich: »Eleonores Fluch, den sie gegen die Grafen von Przytulek gerichtet hatte, war aus der Grausamkeit und Ungerechtigkeit geboren, die sie durch Ladislav von Przytulek erleiden musste, aber Flüche und Rache vergrößern das Unheil nur, wie sich aus der Chronik unschwer ablesen lässt. Mir scheinen Vergebung und Sühne die einzigen Wege zu sein, Utz’ Bosheit und seiner Grausamkeit ihren Stachel zu nehmen.«
Aber das verstand Amadeus nicht oder er wollte es nicht verstehen. »Vergebung und Sühne sind leere Formeln in einer Welt, in der das Recht des Stärkeren herrscht«, sagte er. »In diesem Kampf zwischen Utz und den Vanderborgs heißt es wie im alten Testament: Auge um Auge, Zahn um Zahn!«
Er lächelte zynisch und in seinem offenen Mund sah ich die spitzen Zähne des Vampirs blitzen.
Die Debatte hatte mich erschöpft und ich wollte allmählich mal wieder nach oben ins Gutshaus. »Hast du vergessen, dass mir die Kripo im Nacken sitzt? Ich muss schleunigst zurück in die Bibliothek, ehe die Polizisten merken, dass ich mich heimlich eine Weile abgesetzt habe. Ich würde gerne die Chronik mitnehmen und von Anfang an lesen, denn ich habe mich inzwischen mit der alten deutschen Schrift vertraut gemacht. Gibst du sie mir mit?«
Er zögerte. »Sie soll das geheime Gewölbe nicht verlassenund … gerade der Anfang wird dir Dinge enthüllen, die dich vielleicht sehr verwirren werden. Ich wäre gerne in der Nähe, um dir notfalls einiges erklären zu können«, meinte er eher ablehnend.
»Was für Dinge?«
»Dinge über … deine Familie … und über mich … Sie werden dich vielleicht verstören …«
»Wohl kaum mehr als das, was ich bisher schon weiß.«
Er blieb skeptisch, versprach aber: »Ich denke darüber nach. Jetzt solltest du wirklich schnellstens wieder nach oben gehen … wenngleich mir Utz und seine Werwölfe Sorgen machen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Polizei ihm gewachsen ist. Vergiss nicht, er ist unsterblich, und auch den Werwölfen kann eine normale Polizeikugel nichts anhaben. Sie müsste schon aus Silber sein und sie mitten in ihr grausames Herz treffen.«
Mich schauderte bei dieser Vorstellung, aber es half nichts. Wenn ich mich nicht verdächtig machen wollte, musste ich schleunigst ins Gutshaus hinaufgehen und meine Verkabelung wiederherstellen, damit niemand merkte, dass wir die Überwachung für ein Schäferstündchen am See unterbrochen hatten.
Als wir uns erhoben, trat Amadeus an Estelles schönen Sekretär und holte dort aus dem Geheimfach die imposante Familienchronik.
»Da ist sie«, sagte er, ohne mich dabei anzusehen. »Willst du sie wirklich mit nach oben nehmen? Sie darf auf keinen Fall der Polizei in die Hände fallen. Das meine ich sehr ernst, Louisa, denn wie du ja schon weißt, berichtet sie nicht nur Schönes, sondern auch
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