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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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darf und den ich verleugnen muss, damit ihm meine Liebe nicht den Tod bringt …
     
    Erschüttert las ich, dass sie sich zwischen zwei Männern hin und her gerissen fühlte, ihrem verhassten Ehemann und einem heimlichen Geliebten. Noch dazu war sie schwanger und wusste nicht von welchem der beiden.
    Ich übersprang die Seiten über Jakob Vanderborg und sein gescheitertes Experiment mit der Vampirfangmaschine in den Karpaten, die ich bereits am ersten Tag, als Amadeus mir das Buch gab, mühsam gelesen hatte. Eleonore, das von Ladislav von Przytulek geschändete Mädchen ausdem Mittelalter, war damals in Estelles Körper gefahren und mit ihrer Persönlichkeit verschmolzen. Seitdem war Estelle eine Vampirin, woran sie sich aber erst nach und nach gewöhnte.
    Nach einer Fast-Affäre mit ihrem Bruder Friedrich schickte ihr Vater diesen zur Armee und bewegte sie, einen reichen Gläubiger von ihm zu heiraten, um die Familie vor dem Ruin zu retten. So kam es zu ihrer Verlobung mit dem wohlhabenden Hasardeur Karolus Utz.
    Als ich auf seinen Namen stieß, wuchs die Anspannung in mir. Utz war Estelle in seinem Wesen fremd, aber er genoss Ansehen und hatte einen beeindruckenden Lebensstil, weshalb er durchaus eine gewisse Faszination auf die junge, unschuldige Frau ausübte. Heute würde man sagen, er war ein gut aussehender, reicher, extrem selbstbewusster Macho …
    Die Verlobung sollte auf dem jährlichen Maskenball in der Villa von Utz verkündet werden. Das stellte ich mir lustig und romantisch vor. So las ich neugierig, was Estelle über dieses Ereignis berichtete. Unter den vielen Gästen fiel ihr eine Gruppe junger Offiziere auf, von denen einer besonders hervorstach. Es war ein Leutnant aus adeligem, leider verarmtem Haus …
     
     
    … der mir sofort auffiel, weil er nicht nur von exquisiter Männlichkeit war, sondern weil sein ausdrucksvoller Mund so traurig wirkte. Und obwohl die Maske einen Teil seines Gesichts verbarg, war ich seltsam fasziniert davon, denn seine Züge, Kinn und Wangenknochen waren markant und edel … Zudem schien er in eine seltsame, höchst attraktive Melancholie eingehüllt, die ihn wie ein Mantel umgab. Was für ein Schmerz mochte ihn quälen, der so mit ihm wie eine zweite Haut verwachsen war
?
    »Weltschmerz!«, sagte mein Bruder Friedrich lachend, als ich ihn darauf ansprach. »Das trägt man heutzutage in seinen Kreisen. Das ist très chic zwischen Verfall und Dekadenz.«
    Er lachte lauter und deutete ein wenig zu auffällig zu dem Leutnant hinüber. »Schau ihn dir an, meinen Freund Amadeus von Treuburg-Sassen, er ist so arm, dass eine Kirchenmaus im Vergleich zu ihm Fettlebe hat. Dabei ist er ein Bild von einem Mann! Doch was nützen ihm Schönheit und adeliges Blut
?
Würde er um deine Hand anhalten, Estelle, würdest du doch genau wie alle anderen Frauen auch den reichen Utz vorziehen. C’est la vie! Wen würde das nicht melancholisch machen
?
«
     
     
    Ich stockte wie erstarrt und konnte nicht glauben, was ich da eben gelesen hatte. Der Text verschwamm vor meinen Augen und nur ein paar Wörter stachen scharf konturiert hervor. Sie formten einen Namen: Amadeus von Treuburg-Sassen! AMADEUS!
    Meine Erschütterung reichte bis tief in mein Inneres, das sich sofort ablehnend gegen das Gelesene aufbäumte. Das konnte nicht sein. Ich konnte nicht
einen Mann lieben, der Anfang des 20. Jahrhunderts gelebt hatte. Ich schüttelte verwirrt den Kopf. Nein … nein … nein … das war nicht möglich …
Diese Namensgleichheit musste einen anderen Grund haben, und wieder einmal erschien es mir logischer, das Buch für einen Roman zu halten, in dem jemand
willkürlich Personen und Ereignisse aus der Geschichte meiner Familie zu einem wüsten Schauerstück ohne jede Logik verbunden hatte. Dieser Eindruck
verstärkte sich, als ich wie unter einem Zwang weiterlas und schließlich entdecken musste, dass Estelle diesem Leutnant noch in der Nacht ihrer
Verlobung rettungslos verfiel …
     
    Dennoch ließ ich mir von Utz den Ring an den Finger stecken und mich unter dem Beifall der Gäste zu seiner Verlobten machen. Aber ich hasste mich dafür!
    Die Dichter schreiben viel über die Liebe … das ist ein Stimmungsschmelz, der die Herzen aufgehen lässt … Nur wenige sprechen jedoch von ihrer zerstörerischen Macht, von jener Liebe, die alles bedingungslos niederzwingt, die nicht zart und romantisch daherkommt, sondern als wildes Begehren einer alles verzehrenden Leidenschaft … die schon von Anbeginn

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