Die Dunkle Erinnerung
überrascht, dass es dazu gekommen ist. Das war nur eine Frage der Zeit.«
Erin öffnete den Mund zu einer Antwort, doch Alec berührte mahnend ihren Arm. Dann zog er seinen Ausweis hervor und klappte ihn auf. »General, ich bin Special Agent Donovan …«
»Ja, ja«, fiel Neville ihm ins Wort. »Ich weiß, wer Sie sind, Agent Donovan. Seit jenem unglückseligen Zwischenfall mit dem vermissten Mädchen haben Sie Miss Baker begleitet. Nun, was kann ich für das FBI tun?«
»Wir wollen lediglich einige Informationen.« Alec schob seine ledergebundene ID-Karte wieder in die Jackettasche. Er wollte nicht fragen, woher Neville ihn kannte. Oder woher er über Chelsea Madden Bescheid wusste. Fragen würden nur übertrieben wirken.
»Uns wurde berichtet, dass einige Ihrer Hausangestellten gestern auf Ihrem Grundstück in Middleburg Leichen beerdigt haben.«
»Berichtet?« Neville lehnte sich im Sessel zurück und faltete die Finger wie ein Zelt unter dem Kinn.
»Ja, Sir.«
»Und woher stammt dieser Bericht?« Der General streckte die Hände aus und faltete sie vor sich auf dem Tisch. »Ich fände es unerhört, wenn die US-Regierung ausländische Diplomaten ausspioniert.« Natürlich gehörte eine solche Überwachung zum Normalverfahren, auch wenn alle so taten, als existiere sie nicht.
»Diese Information stammte von Anhaltern, die aus Versehen auf Ihren Grund und Boden geraten waren.«
»In der Nacht?«
»Sie hatten sich verlaufen.« Alec spürte Erins Ungeduld, doch sie hielt den Mund. Zum Glück. Bei ihrem Temperament … Alec verstand sie sehr gut. Auch er hatte Mühe, höflich zu bleiben, er hätte es vorgezogen, diesen Kerl an seiner Seidenkrawatte aufzuhängen.
»So, so. Und jetzt wollen Sie wissen, was mit den Leichen ist.«
»Ich bin sicher, wir wollen dasselbe, General.«
»Das bezweifele ich.« Neville zog eine Augenbraue hoch. »Außerdem weiß ich bereits, wessen Leichen in diesen Gräbern liegen, Agent Donovan.«
Natürlich weißt du das. »Würde es Ihnen dann etwas ausmachen, uns darüber aufzuklären?«
»Wenn Sie so großen Wert darauf legen.« Wieder lehnte der General sich im Sessel zurück, ganz entspannt und selbstsicher. »Ich habe gestern zwei meiner Hunde verloren. Treue Tiere. Einer wurde vergiftet. Vielleicht von Ihren Anhaltern?« Kurz blickte er Erin an, wandte sich dann wieder Alec zu. »Der zweite Hund musste erschossen werden, bevor er einen Eindringling anfallen konnte. Vielleicht wissen Ihre Anhalter auch darüber Bescheid.«
»Tut mir Leid, dass Ihren Lieblingen etwas passiert ist, General …«
»Es waren keine Lieblinge, Agent Donovan. Es waren Wachhunde.«
»Wir hätten immer noch gern Ihre Erlaubnis, die Gräber zu öffnen, General.«
Neville schaute sie forschend an, machte dann eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist reine Zeitverschwendung. Aber es ist ja Ihre Zeit.« Er nickte einem seiner Männer zu. »Begleite Agent Donovan und Miss Baker zum Landhaus in Middleburg und sorg dafür, dass ihren Anweisungen nachgekommen wird.«
»Kommen Sie nicht mit, General?«, wollte Alec wissen.
»Ich fürchte, nein«, erwiderte Neville. »Ich verlasse morgen Ihr Land und habe noch viel zu tun.«
Alec hätte gern Nevilles Reaktion auf das Öffnen der Gräber gesehen, doch er konnte den Mann nicht zwingen, sie zu begleiten. Also bedankte er sich und folgte gemeinsam mit Erin zwei Männern in einem dunklen Sedan; es waren dieselben Männer, die Alec letzte Nacht in Georgetown gesehen hatte.
Ungefähr dreißig Meilen hinter der Stadtgrenze begann es zu regnen. Ein langsames, gleichmäßiges Nieseln, das irgendwie schwerer zu ertragen war als ein Wolkenbruch. Eine Zeit lang fuhren sie schweigend. Die Scheibenwischer pochten, und die Reifen quietschten auf dem nassen Asphalt.
»Das war viel zu einfach«, brach Erin schließlich das Schweigen.
»Genau. Ich glaube inzwischen auch, dass wir in den Gräbern bloß Hunde finden.« Das war allerdings kein Fortschritt bei der Suche nach Cody Sanders.
»Vielleicht hat er die Leichen, die Sie gestern Nacht gesehen haben, schon wieder ausgraben lassen.«
»Und seine Hunde getötet, um die Gräber zu füllen?« Alec schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Nein, Neville hat uns bestimmt die Wahrheit gesagt.« Er zögerte und ließ die Ereignisse der vergangenen Nacht noch einmal Revue passieren. »Aber diese Hunde haben einen Menschen gebissen, bevor sie starben. Totengräber hat genug Medikamente und Verbandszeug gekauft, um
Weitere Kostenlose Bücher