Die Dunkle Erinnerung
eine Mini-Notaufnahme auszustatten.«
»Cody?«
Alec erwog diese Möglichkeit. »Kann schon sein. Totengräber hat von seinem Sohn erzählt, der angeblich Ryan heißt. Doch ich möchte wetten, dass er etwas über Cody weiß. Der Bursche ist zusammengezuckt, als ich den Namen nannte, und sagte dann nur, dass sein Sohn einen Freund namens Cody habe.«
Sie kamen ans Ziel und folgten dem anderen Wagen durchs Parktor. Als sie am Herrenhaus vorbeifuhren, meinte Erin: »Sieht aus wie in einem Horrorfilm.«
»Ja.«
»Wir sollten uns nicht nur die Gräber ansehen.«
Alec warf ihr einen raschen Blick zu und sagte: »Wenn Sie sich unbedingt umbringen wollen …«, obwohl er den gleichen Gedanken gehabt hatte.
Erin ließ sich nicht so leicht täuschen. »Jetzt sagen Sie bloß, Sie würden nicht ins Haus gehen, wenn Sie überzeugt sind, dass der Junge dort festgehalten wird.«
Nein, das brächte Alec nicht über sich, und sie wussten es beide.
»Ich habe acht bewaffnete Wächter gezählt«, sagte Erin. »Mit den zwei Mann am Tor.«
»Und die Kameras?«
»Am Torwärterhaus und um das ganze Haus herum. Sie würden uns auf jeden Fall kommen sehen.«
»Eben. Es ist eine Todesfalle.«
»Vielleicht.« Erin zuckte die Achseln. »Aber wir haben vermutlich keine andere Wahl, wenn wir sehen wollen, wer oder was in diesen Gräbern liegt.«
Sie hielten hinter dem dunklen Sedan in der Nähe des Gebäudes, wo Alec die Männer beim Begraben der Leichen gesehen hatte. Neben den Wächtern unter dem Dachvorsprung der Garage standen zwei weitere Männer. Beide hatten Schaufeln in der Hand.
»Der Große rechts ist Totengräber«, sagte Alec.
»Die Schwachstelle.«
»Die Frage ist, wie kommen wir an ihn ran?«
»Das ergibt sich schon. Das Problem ist, dass uns die Zeit davonläuft. Neville verlässt morgen das Land. Wenn wir Cody nicht vorher finden, wird er wohl für immer verschwunden bleiben.«
Auch Alec war dieser Gedanke bereits gekommen. Sie stiegen aus und vermieden sorgfältig jeden Blickkontakt zum Mann mit der Schaufel.
Wartend standen sie im Nieselregen und sahen zu, wie die Männer die frisch aufgeschüttete Erde, die inzwischen lehmig geworden war, erneut aufwühlten. Als die kleinen Bündel endlich zum Vorschein kamen, sprang Alec rasch herbei, um sie zu begutachten. Wie erwartet waren die Hundekadaver darin.
Wieder im Wagen, auf dem Weg zum Haus, sprach Erin seine Gedanken laut aus. »Wie gesagt, vielleicht haben wir keine andere Wahl.«
Im Zimmer war es dunkel. Billige Vorhänge mit Vinylauflage sperrten die blasse Nachmittagssonne aus. Die einzige Lichtquelle war der Fernseher, den Isaac auf stumm geschaltet hatte. Die Bilder sagten ihm genug.
Vor der Klinik in Gentle Oaks stand ein Reporter, dahinter sah man Streifenwagen, FBI-Fahrzeuge und einen Krankenwagen. Der war bestimmt für Erin Baker. Isaac überlegte, ob sie noch am Leben war. Er hoffte es. Es war so wundervoll gewesen, sie in der Gewalt zu haben, dass er sich dieses Vergnügen noch einmal gönnen wollte – um Erin dann zu töten.
Sein Name, sein Bild waren in sämtlichen Nachrichten.
Dr. Jacob Holmes, international renommierter Psychiater, gesucht wegen Angriffs auf eine junge Frau. Sie wurde nicht genannt. Oder gezeigt. Und natürlich gab es keinen Hinweis darauf, dass sie CIA-Offizier war.
Eigentlich war sie für Isaac eine Enttäuschung gewesen. Sie besaß ein scharfes Auge und war klug, doch ihr Kampfgeist war zu schwach entwickelt. Isaac hätte gedacht, dass sie sich entschlossener wehren würde, doch es war leicht gewesen, sie niederzuringen. Wie schade. Er hatte ein so großartiges Finale geplant.
Isaac war stets ein Meister der Improvisation gewesen, er hatte mit dem Unerwarteten gerechnet und es in den eigenen Vorteil verwandelt. Und dieses Mal hatte er keine Ausnahme von seiner Regel gemacht. Vielleicht war es besser, wenn man es auf diese Weise beendete, wenn noch die eine oder andere Überraschung auf Erin und ihre Schwester warteten …
Isaac sah sich im Zimmer um. Alles war bereit. Lächelnd hob er die Pistole von seinem Schoß. Sogar durch die Latexhandschuhe spürte er die Kälte des Stahls.
Es war an der Zeit.
Jacob Holmes war ein toter Mann.
28.
Ryan schwebte zwischen Schlafen und Wachen.
Jedes Mal, wenn er aufwachte, fühlte er sich stärker, hatte aber gleichzeitig größere Angst. Er hätte nicht sagen können, wie viel Zeit vergangen war. War es für Cody bereits zu spät? Oder für ihn selbst? War der Kleine
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