Die Dunkle Erinnerung
angetan?«
»Ich hätte sie nicht mal angerührt. Das hätte sie schon selbst besorgt. Passt doch gut, findest du nicht?«
»Ich bring dich um, du …«
»Was für tapfere Worte! Oder ist das Wut, weil du genau weißt, dass du deine Schwester nicht mehr beschützen kannst? Oder die kleine Janie?«
Erin überkamen sinnlose Wut und Verzweiflung.
Plötzlich hörte sie wieder Stimmen von der Klinik her. Ein Funke Hoffnung. »Jetzt kommen sie dich holen«, keuchte sie, denn sie konnte vor Schmerzen kaum sprechen. »Und dann wirst du für jedes Kind bezahlen.«
»Vielleicht.« Er verdrehte ihren Arm noch ein wenig mehr, steigerte den Schmerz. Erin biss sich auf die Zunge, um nicht zu schreien. »Aber dich können sie nicht mehr retten.«
Wieder verliehen die näher kommenden Stimmen Kraft, und Erin öffnete den Mund zum Schrei. Und wieder war sie zu langsam. Sie sah den großen silbernen Schlagring erst einen Sekundenbruchteil, bevor er ihre Schläfe traf.
Alles wurde schwarz.
27.
Sie brachten Erin auf einer Bahre heraus.
Alec wartete am Waldrand. Betroffen musterte er ihr blasses Gesicht, die verbundenen Handgelenke, die feuerrote Beule und den Schnitt an ihrer Schläfe.
»Mein Gott«, flüsterte er.
»Ja«, sagte einer der Sanitäter. »Und sie hat Glück, dass sie noch lebt. Der Schlag gegen die Schläfe hätte sie töten können. Wenn er besser gezielt hätte, wäre es aus gewesen.«
»Was ist mit ihren Handgelenken?«, fragte Alec.
»Das kann man erst nach dem Röntgen sagen, sieht aber nicht nach einem Bruch aus.«
Da schlug Erin die Augen auf. Ihr Blick war getrübt, doch als sie Alec sah, klärte er sich. »Holmes?« Ihre Stimme klang rau.
»Wir durchsuchen den Wald und das umliegende Gebiet«, sagte Alec. »Außerdem haben wir Straßensperren errichtet. Wir kriegen ihn schon.«
Erin wollte sich aufrichten, doch Alec drückte sie auf die Liege zurück. »Lieber nicht bewegen. Sie sind in ziemlich schlechter Verfassung.«
»Brauch bloß ein paar Aspirin …« Erin hob eine zitternde Hand an ihre Schläfe. »Fühlt sich an, als hätte er mir auf dem Kopf herumgetrampelt.«
Sie gelangten zum Parkplatz. Die Sanitäter setzten die Bahre auf eine fahrbare Krankentrage.
»Kann ich ein paar Minuten allein mit ihr sprechen?«, fragte Alec.
»Na klar.« Die Sanitäter verzogen sich in den Rettungswagen. Wieder versuchte Erin aufzustehen.
»Wollen Sie das wohl lassen?« Erneut drückte Alec sie auf die Bahre zurück. »Sie haben auch so schon bewiesen, dass Sie Superwoman sind.«
Erin schaute ihn böse an, ein sicheres Zeichen, dass es ihr bald wieder besser gehen würde. »Was haben Sie eigentlich hier verloren? Ich dachte, Sie beobachten Neville.«
»Hab ich auch. Aber dann rief Agent Hart an, um mir zu berichten, dass Sie Claire mitgenommen haben, und ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht zu Hilfe kommen.«
»Tja, da kommen Sie zu spät. Der böse Bube hat den Schauplatz bereits verlassen.«
Fast gegen seinen Willen musste Alec grinsen. Er hatte sich bereits geohrfeigt, weil er nicht früher gekommen war. Vor Erin. Bevor sie dem Verbrecher in den Wald gefolgt war. Wäre Alec nicht zuerst in sein Motel gefahren und hätte ein wenig geschlafen, wäre er der Erste am Schauplatz gewesen.
»Haben Sie denn etwas über Neville rausgefunden?«, wollte Erin wissen.
Alec zögerte. Sie brauchte jetzt Ruhe, keine weiteren Sorgen.
»Donovan, sagen Sie es mir!«
Sie klang immer noch müde und schwach, doch Alec wusste, dass sie nicht nachgeben würde. Also berichtete er von den Gräbern auf Nevilles Grundstück und von der Begegnung mit Totengräber.
Dann warf er einen Blick auf die Uhr. »Eigentlich hätte er sich inzwischen melden sollen. Die Vorgänge im Haus des Generals machen ihm schwer zu schaffen. Ich glaube, er wird bald um Hilfe bitten.«
»Lassen Sie dem armen Mann doch etwas Zeit. Erst mal müssen wir herausfinden, wessen Leichen in diesen Gräbern liegen.«
»Wir müssen gar nichts. Sie fahren ins Krankenhaus und lassen sich röntgen und untersuchen, während ich mich um die Gräber kümmere.« Allerdings wusste er noch nicht, wie er es anstellen sollte.
Cathy trat auf sie zu. Offenbar hatte sie die letzten Sätze mitgehört. »Warum gehen wir nicht gleich zu Neville und bitten um Erlaubnis, die Gräber auszuheben? Er wird es nicht abschlagen, das sähe nämlich ziemlich verdächtig aus.«
»Da hat sie Recht«, stimmte Erin zu und versuchte wieder, sich aufzusetzen. Diesmal schaffte
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