Die Dunkle Erinnerung
eilte zu dem Jungen und führte ihn zu einem der Streifenwagen.
Neville setzte ein verbindliches Lächeln auf. »Es war ein schreckliches Missverständnis.«
»Scheißkerl!« Erin wollte auf den General losgehen, doch Alec hielt sie zurück.
Nevilles Lächeln wurde eisig. »Sie sollten keine Spielchen versuchen, die Sie nicht gewinnen können, Officer Baker.«
Erin versuchte, sich aus Alecs Griff zu befreien, doch er hielt sie unerbittlich fest.
Wieder leuchtete ein Band aus vielen Scheinwerfern von der Straße her und näherte sich in hohem Tempo. Sechs Wagen hielten hinter Nevilles Konvoi, und mehr als zwanzig Männer stiegen aus. Die meisten blieben in gebührender Entfernung stehen. Nur vier Männer kamen zu Erin und den anderen herüber. Erin starrte sie offenen Mundes an.
Der Einsatz wurde von Thomas Ward, Vizedirektor der nachrichtendienstlichen Abteilung, persönlich geleitet. Er trat auf Reynolds zu und zeigte seinen Dienstausweis vor. »Dies ist ein internationaler Zwischenfall, Sergeant. Wir übernehmen jetzt.«
Der Sergeant zögerte – er hatte wirklich Mut – und schaute Erin und Alec an. Erst dann bestätigte er mit einem Nicken Wards Zuständigkeit. »Komm«, sagte er zu seinen Kollegen.
Während die Polizisten zu ihren Streifenwagen gingen, wandte Ward sich an Neville. »General, ich entschuldige mich im Auftrag meiner Regierung für den Zwischenfall. Sie und Ihre Leute können gehen.«
Neville blickte von Ward zu Erin, die immer noch von Alec am Arm festgehalten wurde. Dann nickte er dem CIA-Direktor kurz zu und winkte seinen Männern, ihm zu folgen.
»Sie können ihn doch nicht einfach gehen lassen!«, rief Erin.
Ward überhörte es. »Agent Donovan, ich glaube, der junge Mr. Sanders fällt in Ihre Zuständigkeit.«
Alec zögerte, dann aber ging er zu dem wartenden Streifenwagen und kümmerte sich um Cody.
Unterdessen sah Erin zu, wie Nevilles Limousine an ihnen vorbei auf den Flugplatz fuhr. »Ich kann nicht glauben, dass Sie ihn laufen lassen. Er ist ein Ungeheuer!«
»Stimmt.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, die Wut zu bezähmen, die in ihr brodelte. »Wenn Sie es wissen, warum lassen Sie ihn dann gehen?«
Ward entfernte sich ein Stück von seinen Leuten und winkte Erin heran. »Wir beobachten General Neville schon seit einiger Zeit.«
»Und lassen ihn weiterhin Kinder verkaufen?«
»Es geht nicht um die Kinder, die er verkauft.« Ward schlug sein Jackett auf, schob die Hände in die Hosentaschen und wippte ungeduldig auf den Fersen. »Die sind nur ein Nebenerwerb, verglichen mit seinen lukrativeren Geschäften.«
»Und was für Geschäfte sind das?«
»Er verkauft Informationen. Biologische Formeln zum Beispiel. Hauptabnehmer ist der Nahe Osten. Es geht um biologische Kampfstoffe, tödliche Viren und dergleichen. Alles, worauf skrupellose Regierungen scharf sind.«
Erin verstand immer noch nicht. Im Grunde wollte sie es auch nicht unbedingt verstehen. Wenn die CIA über Nevilles kriminelle Machenschaften Bescheid wusste und dennoch den Blick abwandte, wollte sie nichts damit zu tun haben. »Aber wenn Sie wissen, was er tut, warum halten Sie ihn nicht auf?«
»Der Feind, den Sie sehen, ist viel weniger gefährlicher als der Feind, den Sie nicht sehen.« Ward presste die Lippen zusammen. »Heute Nacht fliegt er nach Hause, die Formel für einen neuartigen Anthrax-Erreger im Gepäck. Ein besonders bösartiger Erreger. Die Formel wurde ihm von einem frustrierten Assistenten an einer Universität verkauft. Allerdings«, Ward zuckte die Achseln, »wird Nevilles Käufer niemals in der Lage sein, mit den Forschungsergebnissen etwas anzufangen.«
»Sie haben ihm gezielte Fehlinformationen geliefert.«
»Ja.«
»Der Feind, den Sie kontrollieren …«
»Ist in der Tat äußerst wertvoll.« Erin ließ das Thema ruhen. Sie begriff, aber es gefiel ihr nicht. Sie hatte sich nie Illusionen über die Firma gemacht, doch diese Geschichte machte sie wütend. Wegen der Kinder. »Sie wussten also die ganze Zeit, dass Neville Cody in seiner Gewalt hatte, und haben mich hinter ihm herjagen lassen. Warum?«
»Ich habe darauf gesetzt, dass es Ihnen gelingt, den Jungen zu retten.« Ward grinste. »Und das haben Sie ja auch geschafft. Der wahre Grund aber ist: Neville fand heraus, dass Sie der CIA angehören, und glaubte nun, dass Sie ihn im Auftrag unserer Behörde verfolgen.« Wieder zuckte er die Achseln. »Diese Illusion wollten wir ihm nicht nehmen. Sie haben
Weitere Kostenlose Bücher