Die Dunkle Erinnerung
militärisch aussehenden Männer ihren Chef davon in Kenntnis setzen, dass ihnen die Beute entwischt war, dass Erin ihre Verfolger abgeschüttelt hatte.
Wie gern hätte Alec diesem Gespräch gelauscht!
Die Männer hielten sich nicht lange auf, nach kaum einer Viertelstunde kamen sie wieder aus dem Haus. Alec sah dem Wagen nach, bis er einen Block weit gefahren war, dann folgte er ihm. Sie fuhren Richtung Westen über die Francis Scott Key Bridge nach Virginia und nahmen dann den Highway 29 Richtung Süden.
Entweder wussten die Männer nicht, dass Alec ihnen folgte, oder es war ihnen gleich, denn sie unternahmen keinen Versuch, ihn abzuhängen. Und schon lange bevor sie Erins Wohnviertel in Arlington erreichten, wusste Alec über ihr Ziel Bescheid.
Er hielt Abstand, als sie in Erins Straße einbogen, fuhr mehrere Male um den Block und näherte sich dann aus der anderen Richtung dem Haus. Die Soldaten hatten am Ende der Straße geparkt, nahe genug, um jedes ankommende oder abfahrende Auto in Erins Einfahrt zu registrieren und jeden Fußgänger zu überwachen. Sie rechneten damit, dass Erin früher oder später nach Hause kommen musste.
Da konnten sie lange warten.
Alec ging seine Möglichkeiten durch. Er konnte nach Georgetown zurückfahren und warten, ob Neville noch mehr nächtliche Besucher empfing. Oder er konnte zu dem Haus bei Middleburg fahren und sich dort ein wenig umsehen.
Alec entschied sich für Middleburg.
Georgetown mochte zwar Nevilles Kommandoposten sein, aber seine Geheimnisse würde er an einem anderen Ort verstecken. In einem Landhaus, wo es viel Platz und keine neugierigen Nachbarn gab.
Selbst mit diesem Wissen brauchte Alec länger als zwei Stunden, um das Haus zu finden. Das Anwesen lag nördlich von Middleburg in der Nähe des Potomac an irgendeiner Nebenstraße, die auf keiner Karte eingezeichnet war. Es gab auch kein Schild, keinen Hinweis darauf, dass das Grundstück Neville gehörte. Aber damit hatte Alec gerechnet. Menschen wie dem General war nicht daran gelegen, ihr Heim öffentlich anzupreisen.
Alec fuhr sogar zweimal an der Einfahrt zum Landhaus vorbei, ohne es bemerkt zu haben. Er fand sie letztlich nur, weil keine Einfahrten mehr kamen. Beim dritten Mal rollte er im Schritttempo vorüber und registrierte das schwere Eisentor, die Überwachungskameras und das Häuschen mit dem Torwächter darin. Das Haus selbst sah er nicht, nur einen Zufahrtsweg, der hinter einer bewaldeten Anhöhe verschwand.
Alec fuhr weiter. Er suchte nach einer Lücke zwischen den Bäumen und fand sie eine Viertelmeile hinter dem Tor: ein Seitenweg, stark überwachsen zwar, doch man konnte ihm folgen. Alec bog ein und fuhr über den holprigen, grasbewachsenen Weg, bis sein Wagen von der Straße aus nicht mehr zu sehen war. Wenn jemand genau hinschaute, würde er zwar die frischen Reifenspuren im hohen Gras entdecken, doch Alec war überzeugt, dass sich heute Nacht kein Mensch hier draußen aufhielt.
Er versteckte den Wagen hinter einer grünen Mauer aus wild wuchernden Ranken und stieg aus. Im Wald wurde es still. Erst nach einer Weile begannen die Grillen wieder zu zirpen.
Alec lud seine .38er und steckte ein Magazin zur Reserve ein. Dann schob er die Waffe zurück ins Halfter, ließ den Verschluss aber offen. Aus dem Kofferraum holte er eine Taschenlampe, die er jedoch erst benutzen wollte, wenn es nicht anders ging. Außerdem nahm er ein Nachtsichtglas mit, ohne das er auf diesem Trip in die Wildnis nicht genug gesehen hätte.
So ausgerüstet stapfte Alec den überwachsenen Pfad entlang. Behutsam bahnte er sich einen Weg durch das Unterholz. Nach zehn Minuten stieß er auf eine Mauer. Sie war knapp zwei Meter hoch und hätte nicht mal einen entschlossenen Teenager abgehalten, von einem ernsthaften Einbrecher ganz zu schweigen. Doch Alec wollte keine vorschnellen Schlüsse ziehen.
Er kletterte auf einen Baum und leuchtete kurz auf die Oberkante der Mauer, ob diese mit Kameras, Stacheldraht oder sonstigen unliebsamen Überraschungen gespickt war. Doch er sah nichts.
Also war diese Mauer lediglich als Warnung gedacht, als ›Betreten verboten‹-Zeichen.
Alec kletterte ohne Mühe hinauf und ließ sich auf die andere Seite fallen. Sein Aufprall wurde durch einen dichten Blätterteppich gedämpft. Nun war er wirklich so etwas wie ein unbefugter Eindringling; er hatte sich so weit vorgewagt, dass ihm auch sein FBI-Ausweis nichts mehr nützen würde.
Vorsichtig stapfte er weiter und hielt Ausschau
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