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Die Dunkle Erinnerung

Die Dunkle Erinnerung

Titel: Die Dunkle Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Lewin
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zweimal in ihrem Leben gesehen hatte. Einmal vor drei Tagen im Jamestown Park. Und davor in Miami – vor neunzehn Jahren.
    »Ist was nicht in Ordnung, Officer Baker?«
    »Treten Sie bitte von der Frau zurück. Langsam.«
    »Damit Sie mich erschießen können?«
    Nun schaute die Frau Erin zum ersten Mal an und riss erschrocken die Augen auf. »Sie hat ja eine Pistole! Oh Gott! Dr. Holmes, die Frau hat eine Waffe!«
    »Sie machen ihr Angst, Officer Baker.«
    »Sie hat nichts damit zu tun, Holmes. Das ist eine Sache zwischen uns beiden.«
    In gespielter Furcht hob er die Hände. »Schießen Sie bloß nicht.«
    »Oh Gott!« Die Frau duckte sich, schlang die Arme um den Kopf, wiegte sich verzweifelt hin und her.
    »Hier wird niemand erschossen«, sagte Erin, obwohl es sie in den Fingern juckte. »Treten Sie beiseite, Holmes.«
    »Wie Sie wünschen.« Langsam wich er zurück, sorgte allerdings dafür, dass die Patientin zwischen ihm und Erin blieb. Nun war er am Waldrand. Wieder grinste er. »Hätte nicht erwartet, dich heute noch zu sehen, Erin. Aber wo du schon mal gekommen bist …« Er wirbelte herum und tauchte im Schutz der Bäume unter.
    Erin hob die Pistole. Die Frau stieß einen Schrei aus.
    »Verdammt!« Erin konnte nicht schießen, sie hätte womöglich die hysterische Patientin getroffen. So ließ sie die Pistole sinken und lief dem Mann nach, vorbei an der schreienden Frau.
    Nach wenigen Metern war sie mitten in dem Waldstück. Es war kühl. Dunkel. Ein Dickicht. Erin lief langsamer. Mit vorgehaltener Waffe bahnte sie sich den Weg. Vor ihr war etwas Weißes, und sie schritt schneller aus. Es war sein Mantel, den er wie eine Fahne über ein Gebüsch drapiert hatte.
    Stille. Nicht einmal das Summen von Insekten.
    Er war ganz in der Nähe. Erin spürte, dass er sie beobachtete, spürte es wie eine Berührung auf der Haut. Da – eine plötzliche Bewegung zu ihrer Rechten. Erin fuhr herum. Etwas Blaues verschwand blitzschnell zwischen den Bäumen.
    Sie folgte dem Schemen, atmete in tiefen Zügen, um ihre Angst zu dämpfen. Er führte sie tiefer in den Wald, immer weiter weg von der Klinik und den Menschen, die sie um Hilfe hätte rufen können.
    Hinter ihr knackte ein Zweig.
    Erin fuhr herum, die Pistole im Anschlag. Wieder nichts.
    Er spielte mit ihr, machte sie rasend. Und es funktionierte. Sie musste sich beruhigen. In einer solchen Lage war Angst der Todfeind.
    »Kommen Sie schon, Dr. Holmes«, begann sie, um sich Mut zu machen. »Wir wollen es uns doch nicht unnötig schwer machen. Es gibt keinen Ausweg. Sie können sich nicht mehr verstecken. Wir wissen, wer Sie sind.«
    Erin konnte seine Belustigung förmlich spüren. Es war wie an dem Morgen auf dem Joggingpfad: ein Gefühl, das durch die Stille auf sie zufloss, sodass es ihr kalt den Rücken hinunterlief. Lähmende Furcht. Das war seine Spezialität. Seine besondere Gabe. Erin wusste es zwar, doch es minderte ihre Angst kein bisschen.
    Wieder ein Rascheln im Gebüsch, rechts diesmal. Erin fuhr herum. Fast hätte sie geschossen. Sie musste gegen aufkeimende Panik ankämpfen. Panik konnte sie umbringen, wie auch die Angst, nur schneller.
    Aus einiger Entfernung hörte sie Rufe vom Klinikgelände.
    »Hören Sie das? Gleich wird es im Wald vor FBI-Agenten wimmeln.« Es sind bloß zwei, flüsterte die Angst. Und viel zu weit weg. »Machen Sie's nicht noch schlimmer. Geben Sie auf. Dann wird niemand verletzt.«
    Sie spürte den Luftzug zu spät. Irgendetwas sauste krachend auf ihre Hände, sodass sie die Pistole fallen ließ. Die Waffe fiel ins Unterholz. Schmerz ließ ihre Arme erzittern. Er war blitzschnell. Als sie endlich reagierte, um sich zu wehren, sauste bereits ein schwerer Stock auf ihren Kopf nieder. Sie krümmte sich vor Schmerz. Benommenheit umfing sie.
    Den nächsten Schlag sah sie kommen. Der schwarze Stiefel. Sie versuchte, sich wegzudrehen, doch ihr Körper bewegte sich wie in Zeitlupe. Der Tritt traf ihre Schulter und schickte sie zu Boden.
    Dann war er über ihr. Eine Hand krallte sich in ihr Haar, die andere drehte ihr den Arm auf den Rücken und drückte ihr Gesicht in den modrigen Waldboden.
    »Und ich dachte, du wärst eine richtige Gegnerin!« Sein Atem heiß und widerlich an ihrer Wange.
    »Lass mich los, du Schwein!«
    »Wohl kaum. Du hast alles kaputtgemacht, all meine Pläne. Claire sollte eigentlich zuerst dran glauben.«
    Erin bäumte sich mit aller Kraft auf, aber sein Griff war zu fest. »Hast du ihr nicht schon genug

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