Die dunkle Göttin
Hengst einmal kräftig schnaubend aus. Bahzell hob beinahe träumerisch die Hand. Und streichelte sanft, ganz sanft die weiche Schnauze des Hengstes. Dann glitten seine Finger zu
den Ohren, die sich steil aufrichteten, als wollten sie den Herzschlag des Hradani belauschen, und liebkoste sie mit einer Zartheit, die man den kräftigen, vom Gebrauch des Schwertes schwieligen Gliedern niemals zugetraut hätte.
Kelthys starrte die beiden sprachlos an. Er konnte selbst jetzt, obwohl es sich vor seinen Augen abspielte, nicht glauben, was er da sah. Tausend Jahre Geschichte schrien auf, dass dies unmöglich geschehen konnte, und Kelthys hielt den Atem an, während er wartete, ob sich tausend Jahre Geschichte irrten.
»Er heißt«, Bahzell flüsterte beinahe, »Walsharno.«
Tausend Jahre Geschichte, so schien es, konnten sich irren und hatten es auch getan.
Sir Kelthys Lanzenträger lehnte am Zaun der Koppel. Neben ihm stand wie eine warme, schwarze Wand Walasfro. Die beiden sahen zu, wie sich der jüngste Windreiter der Ebene des Windes alle Mühe gab, nicht von seinem Windrenner zu fallen.
Das gibt eine Menge Schwierigkeiten, bemerkte Walasfro ernüchtert.
»Erzähl mir zur Abwechslung mal was Neues, Glockenhuf«, antwortete Kelthys gelassen, zuckte jedoch zusammen, als Bahzell beinahe aus dem Sattel rutschte. Der Hradani wirkte dort oben einfach lächerlich. Vermutlich war dies das einzige »Pferd« auf der ganzen Welt, auf dem er so aussah wie ein Kind auf seinem ersten Pony. Natürlich wurde dieser Eindruck noch dadurch erheblich verstärkt, dass man Bahzells Reitstil mit nur zwei Worten trefflich zusammenfassen konnte: unterirdisch schlecht.
Er wird sich das Genick brechen, sobald Walsharno das erste Mal antrabt, prophezeite Walasfro düster.
»Unsinn«, widersprach Kelthys zuversichtlich. »Dafür sind Hradani viel zu zäh. Außerdem fällt er bestimmt runter, bevor Walsharno antrabt.«
Das ist nicht komisch, Bruder , rügte ihn Walasfro. Ganz gleich, was bestimmte Leute denken mögen, fügte er hinzu, als Bahzell sich krampfhaft am Sattelhorn festhielt und Brandark und Gharnal in schallendes Gelächter ausbrachen. Die Blutklinge saß neben allen anderen Rittern vom Orden des Tomanâk auf dem Zaun der Koppel und sah zu, wie sich Bahzell und Walsharno aneinander »gewöhnten«. Bahzells Miene nach zu urteilen hätte er liebend gern auf dieses Publikum verzichtet.
»Eigentlich ist es schon seltsam«, erklärte Kelthys seinem Windrenner. Walasfro schnaubte heftig und schüttelte missbilligend seinen mächtigen Schädel. Kelthys aber blieb bei seiner Meinung.
»Ich will nicht behaupten, dass es nicht einige Leute
aufregen wird«, räumte er ein. »Andererseits kann nur der engstirnigste Fanatiker abstreiten, dass Bahzell unendlich viel mehr getan hat, um sich Walsharnos Freundschaft zu verdienen, als die meisten Windreiter jemals aufbringen könnten. Meine Güte, ich selbst habe gewiss nie auch nur etwas annährend so Großes vollbracht, um deine Liebe zu verdienen. Und dennoch hast du sie mir geschenkt.«
So wie du mir deine, Bruder , gab Walasfro zärtlich zurück.
»Das versteht sich ja wohl von selbst.« Kelthys lächelte und streichelte Walasfros Schulter.
»Trotzdem«, fuhr der Windreiter nach einer Weile fort, »ist es höchst ungewöhnlich, dass sich ein Windrenner einen Windrennerbruder erwählt, der nicht die Bohne reiten kann.« Er unterdrückte ein Grinsen, als Walsharno geduldig um die Koppel schritt. »Vermutlich liegt das daran, dass Bahzell wenig Gelegenheit zum Üben hatte.«
Üben? Bitte erkär mir doch, Zweibein, wie ein Hradani von seiner Körpergröße ein Pferd finden sollte, das ihn tragen könnte? Walasfro schnaubte. Ganz zu schweigen davon, dass sein Volk von Pferdedieben nicht unbedingt auf bestem Fuße mit uns oder unseren niederen Verwandten steht, historisch
gesehen selbstverständlich, setzte der Hengst mit feinem Spott hinzu.
»Du kannst manchmal ja so zynisch sein!«, rügte ihn Kelthys mit einem leisen Lachen. Walasfro stupste ihn mit der Nase an, und Kelthys versetzte ihm einen freundlichen Klaps.
Wie auch immer , fuhr der Hengst ernst fort. Walsharno und er werden Wochen benötigen, um ihr Band zu festigen. Und er wird vermutlich ebenso viel Zeit wenn nicht noch viel mehr brauchen, bis ich mich einigermaßen wohl fühle, was seine Chancen betrifft, dass er bei einem ernsten Kampf im Sattel bleibt.
»Damit hast du wahrscheinlich Recht«, stimmte ihm Kelthys zu. Es
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