Die dunkle Göttin
zurechtzukommen.«
»Es gibt Augenblicke, Liebes, zahlreiche Augenblicke, da beschleicht mich das Gefühl, der Falsche von uns beiden ist als Mann geboren worden. Du hättest einen vorzüglichen Baron abgegeben.«
»Vielleicht. Aber so wie die Dinge liegen, gebe ich dir meinen Rat in dem Wissen, dass die letzte Entscheidung bei dir liegt, nicht bei mir.« Sie lächelte. »Das bedeutet auch, dass ich weit weniger Druck aushalten muss, also fällt es mir natürlich leichter, Abstand zu bewahren.«
»Gut möglich.« Er wandte sich um, ohne den Arm von ihren Schultern zu nehmen, und schaute vom oberen Balkon seines Schlosses hinab auf seine Bewaffneten, die geduldig darauf warteten, dass er zu ihnen herunterkam. Die Kürasse der Reiter blitzten in der Morgensonne auf, das Leder glänzte, und die blau-weißen Banner mit dem geflügelten Löwen, dem Gryphon, dem Banner von Balthar und der persönlichen Standarte des Barons, wehten im sanften Morgenwind. Sein
Blick fiel auf den Gryphon, das uralte Wahrzeichen von Ottovars untergegangenem Reich in Kontovar. In ganz Norfressa verwendeten nur die Sothôii dieses Emblem. Der Baron presste die Lippen zusammen.
»Ich sollte eigentlich zu den Warmen Quellen reiten, wie ich es vorhatte«, sagte er. Hanatha seufzte. Sie hatte ihm bereits erklärt, warum er seine Meinung besser änderte, aber sie wusste, dass er nicht gegen sie persönlich sprach. In solchen Augenblicken hasste er es einfach nur, dass es nur ein Exemplar von ihm gab.
»Du kannst nur an einen Ort zur Zeit gehen, Tellian«, sagte sie geduldig. Ihr Tonfall verriet, dass sie dieses Gespräch schon einmal geführt hatten. »Prinz Bahzell, Hurthang, Gharnal, Brandark und Kelthys sind zu den warmen Quellen geritten. Wenn sie dieses Problem nicht bewältigen können, um was für eines auch immer es sich handeln mag, was willst denn du da noch ausrichten?«
»Schon, aber
«
»O nein, Tellian!« Sie schüttelte den Kopf und drohte ihm mit dem Finger. »Du wirst diesmal nicht versuchen, dich herauszuwinden und dich anschließend mit einem schlechten Gewissen herumplagen! Du trägst die Verantwortung für Kleinharrow ebenso wie für die Warmen Quellen, und die erfahrensten Leute, die du finden konntest, sind bereits zu den Warmen Quellen geritten. Trianal dagegen ist vermutlich der unerfahrenste Offizier unter deinen Leuten, und er ist in Kleinharrow als dein Stellvertreter ganz allein auf sich gestellt.« Sie warf ihm einen Blick zu, der fast böse wirkte. »Wenn du das alles in Betracht ziehst, gibt es da noch den geringsten Zweifel, wohin du reiten musst?«
Tellian wollte etwas sagen, überlegte es sich jedoch besser und schüttelte nur den Kopf.
»Schon besser.« Ihre Augen, die seit seiner Rückkehr aus Kalatha mit leeren Händen so traurig gewirkt hatten, funkelten nun ein wenig. Doch dann zogen sie sich kurz zusammen,
als sich die Baronin fragte, wie viel dieser scheinbaren Unentschlossenheit nur ein Trick ihres Gemahls war. Wollte er sie von ihrer Trauer ablenken, indem er ihr die Möglichkeit gab, ihn zurechtzuweisen?
»Ja, Liebes«, sagte er demütig. Dann holte er tief Luft und straffte die Schultern.
»Da wir gerade von Trianal sprechen«, begann er. »Ich denke
«
»Ja.«
Er hielt inne, überrascht von ihrem Einwurf.
»Ja, was?«
»Ja, du solltest an deine Schwägerin Gayarla und an Seine Majestät schreiben und sie über unsere formelle Adoption von Trianal unterrichten.«
Er betrachtete seine Frau mit einem zärtlichen Blick. Hanatha erwiderte ihn mit einer Heiterkeit, die, wie sie überrascht feststellte, fast ungekünstelt war.
»Natürlich schmerzt es mich, dass wir Leeanas Platz mit einer derartig ungebührlichen Eile sozusagen ersetzen«, fuhr sie fort. »Aber nach ihr ist Trianal der einzige annehmbare Thronfolger. Der Kronrat würde ihn gewiss zu deinem Nachfolger ernennen, solltest du morgen sterben! Je schneller die Sache also erledigt und offiziell geregelt ist, desto eher werden Leute wie Cassan daran gehindert, sich weiterhin in die Thronfolge einzumischen. Schließlich war das auch der einzige Grund, aus dem Leeana uns
verlassen hat. Außerdem ist Trianal ein wunderbarer Junge. Ich könnte ihn nicht mehr lieben, wenn er unser leiblicher Sohn wäre. Du wirst mir meine Worte nicht verübeln, aber trotz der falschen Erziehung deiner Schwägerin ist er zu einem großartigen jungen Mann herangewachsen. Er wird zweifellos auch nach dir einen großartigen Baron und Lordhüter
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