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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Krinard
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Alle körperlichen Veränderungen, die sie versucht hatte zu ignorieren – die schärfere Sicht und das bessere Gehör, feineres Gespür für jeden Stimulus, sogar die Verbindung zwischen ihr und Dorian – wurden katastrophale Realität.
    Ich habe Angst.
    Sie presste ihre Faust gegen ihren Mund, um ihren Aufschrei zu ersticken. Die Baumwolle ihrer Bluse fühlte sich an ihrem Rücken auf einmal so kratzig an, als läge sie auf einem Nagelbrett. Ihr silbernes Kreuz lag eiskalt auf ihrem Hals, und die Stimmen von Menschen und
Strigoi
, die sich im Gebäude umherbewegten, hämmerten gegen ihren Schädel. Ihr eigener Puls war betäubend laut. Hunger nagte an dem Loch unter ihren Rippen.
    Gott steh mir bei.
    Aber das konnte Er nicht. Niemand konnte das. Einmal hatte sie bereits versucht zu fliehen. Das war die schlimmste Art der Selbsttäuschung gewesen. Selbst wenn es ihr gelingen würde, sich von Dorian zu entfernen, konnte sie dem, was sie geworden war, nicht entkommen. Das Leben würde nie mehr so sein wie vorher. Ein Nizzasalat und ein saftiges Steak würden ihren Hunger nie wieder stillen. Alle paar Tage würde sie ausziehen müssen und sich auf der Straße einen armen ahnungslosen Mann oder eine Frau angeln, die ihr Blut “spendeten”, um sie am Leben zu erhalten.
    Bist du glücklich darüber, dich von menschlichem Blut ernähren zu müssen? Das hatte Vida sie gefragt. Bist du denn glücklich darüber, von der Menschheit für ein Monster gehalten zu werden?
    Gwen drehte sich um und vergrub ihr Gesicht im harten Kissen. Sie spürte, wie sie von Moment zu Moment schwächer wurde.
    Schwach, wie eine Frau aus dem letzten Jahrhundert. Schwach genug, um sich zu wundern, wo Dorian blieb, warum er nicht kam, warum er ihr Leid nicht spürte.
    Und warum sollte er kommen, nachdem du ihn dafür verflucht hast, dass er dir helfen wollte? Nachdem du gesagt hast, du wolltest lieber sterben, als bei ihm zu bleiben?
    Der Drillich des Kissens zerriss zwischen ihren Zähnen. Sie warf das Kissen zur Seite und schlug auf die Matratze ein, bis der Bettrahmen knarrte.
    Du hast mir das angetan, Dorian Black. Du kannst mich nicht alleinlassen.
    Aber Dorian antwortete nicht. Gwen sprang, wild vor Trauer und Schrecken, auf und kratzte mit den Fingernägeln an der Farbe auf dem Fenster. Das Zeug war in vielen Schichten aufgetragen. Sie nahm den Stuhl aus einer Ecke des Zimmers und hielt ihn über ihren Kopf. Sie stellte sich vor, wie das Fenster in Millionen kleiner Stücke zerbarst. Stellte sich vor, wie sie fiel, fiel …
    Ich werde nicht zulassen, dass du dir das Leben nimmst.
    Sie erstarrte. Dorian hatte recht. Sie konnte es nicht tun, und nicht nur, weil er es ihr verboten hatte. Es war dieser verdammte Überlebensinstinkt, stärker, als er es je gewesen war, als sie noch ein Mensch war.
    Der Stuhl krachte auf den Boden. Gwen sank auf die Knie und konnte keine einzige Träne aus ihren Augen pressen.
    Jemand klopfte an der Tür. Gwen atmete zitternd ein, strich ihr Haar und ihre Kleidung glatt und setzte sich aufs Bett.
    Sie konnte das Blut des Menschen bereits riechen.
    “Herein”, sagte sie.
    Die Tür öffnete sich, und ein strohblonder junger Mann mit einem freundlichen Gesicht trat ein. Er lächelte, als wäre die Welt nicht aus den Angeln geraten. “Hallo, Miss Murphy”, sagte er. “Ich bin Jim.”
    Gwen stand auf. Der Hunger hielt sie so fest im Griff, dass sie sich kaum davon abhalten konnte, den Jungen anzufallen. Sie räusperte sich. “Wie … wie geht es Ihnen, Jim?”
    Er schien ihre Verwirrung zu spüren. “Keine Sorge”, sagte er. “Ich weiß, dass Sie eine Neu-Umgewandelte sind … ist erst ein paar Tage her, stimmt’s? Das muss immer noch seltsam für Sie sein.” Er sah zum Fenster. Gwen zweifelte nicht daran, dass er die Kratzer in der Farbe sehen konnte. Er schloss die Tür hinter sich.
    “Ich weiß nicht genau, was Sie gerade durchmachen”, sagte er, “aber ich hoffe, ich kann es Ihnen erleichtern. Es wird nicht nötig sein, dass Sie auf die Jagd gehen, nicht solange Sie bei uns sind.”
    “Sie …” Gwen presste eine Hand auf ihren Bauch, “Sie meinen, Sie …”
    “Ganz genau. Es macht mir nichts aus, wirklich. Ich habe mich der Sache verschworen, und das Beste, was wir Menschen tun können, ist, unsere
Strigoi
am Leben zu halten.” Er schürzte die Lippen. “Ich weiß, dass Sie noch nicht die Gelegenheit hatten, viel über Pax zu erfahren, aber wenn Sie eine Weile hier sind, werden die Medianten

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