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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Krinard
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schlug dem Menschen mit dem Kolben ins Gesicht.
    Aber Gwen stand immer noch aufrecht. “Halt!”, rief sie. “Nicht für mich, Dorian. Niemals für mich!”
    Der Junge lag auf dem Boden und wimmerte vor Angst. Dorian trat einen Schritt zurück. Der Anführer der Meute machte einen kurzen, nutzlosen Versuch, seine Anhänger zu sammeln, aber sie hatten ihre Kampfeslust verloren. Die Menschenmenge begann zu zersplittern wie verfaultes Holz unter der Axt. Sie zerbarst in immer kleinere Stücke, als die Dorfbewohner zu rennen begannen.
    Dorians Hände waren nicht ganz ruhig, als er Gwen zurück in die Hütte führte. Der Ärmel ihrer Bluse war rot gefleckt, aber er hatte bereits festgestellt, dass die Wunden nur oberflächlich waren und in wenigen Stunden verheilt sein würden. Trotzdem hatte dieses Wissen keine Wirkung auf seine Wut. Er trug sie in die
Casa
und zu ihrem Bett. Der Donner seines Herzens erstickte die ersten Worte, die er sprechen wollte.
    “Du hättest sterben können”, sagte er. Er kämpfte darum, seine Angst um sie nicht stärker werden zu lassen als das Spiel, das er um ihretwillen spielte.
    Gwen weigerte sich, ihm in die Augen zu sehen. “Lieber ich als irgendeiner von ihnen.”
    “Lieber Hundert von denen als du.”
    Sie drehte sich auf die Seite, weg von ihm, und presste ihr Gesicht in das Kissen. Dorian wusste, dass er nicht mehr sagen konnte, ohne ihren Verdacht zu erregen. Er ließ sie liegen und hasste sich für das, was er tun musste. Er fürchtete den Augenblick, in dem sie endlich akzeptieren würde, dass er zu tief gefallen war, um noch irgendwie von ihr gerettet zu werden.
    Wenn dieser Augenblick kam, wenn es in Gwens Herz nichts mehr gab als Abscheu für das, was er geworden war, dann würde er sie endlich freilassen.
    Die
Casa
war ruhig und still, als Gwen ihr Zimmer verließ. Der längste Teil des Tages war vergangen, ohne dass sie es bemerkt hatte, aber der Himmel war immer noch erleuchtet. Die tiefer sinkende Sonne schien auf eine Welt, die sie nicht länger verstehen konnte.
    Sie stand im Türrahmen, am Rand der Schatten, und sah hinaus über den Hof. Spuren der angreifenden Meute lagen vergessen im Dreck: ausgebrannte Fackeln, kaputte Schusswaffen, eine kleine Statue eines unbekannten Heiligen. Gwen wurde bei ihrem Anblick übel durch die Erinnerungen, die sie nicht auslöschen konnte.
    Dorian hatte keinen dieser armen Menschen getötet. Aber er war nahe daran gewesen. Zu nahe. Beim nächsten Mal …
    Es durfte kein nächstes Mal geben.
    Auch wenn sie nicht klar denken konnte, wusste sie doch, dass sie diesem Gefängnis entkommen musste, und sei es nur für eine Nacht. Der Bund zwischen ihr und Dorian war wieder offen, aber jetzt wurde er durch Dorians brodelnden Zorn vergiftet. Zorn und eine verzehrende Lust nach ihr, eine Lust, so mächtig, dass sie schon vor Tagen damit gerechnet hatte, dass er ihr nachgeben würde. Schon seit dem letzten Neumond.
    Er war nach dem Kampf in der Gasse distanziert gewesen, aber nicht vollkommen unerreichbar. Sie hatte damals geglaubt, dass seine brennenden Schuldgefühle ihn in sich selbst gefangen hielten und dass er sich dem Schrecken seiner Taten nicht stellen konnte. Sie hatte so sehr versucht, ihn sehen zu lassen, dass für ihn noch nicht alle Hoffnung verloren war, hatte versucht, ihn dazu zu bewegen, von dem Schmerz zu sprechen, den er immer noch in sich verschloss.
    Es war ihr nicht gelungen. Der Neumond war gekommen, und Dorian hatte sich verwandelt. Es war, als ob die Dunkelheit ihn nie verlassen hätte, nachdem die Sonne wieder aufgegangen war, als würde er das Monster absichtlich festhalten, statt sich zu freuen, es gehen lassen zu können.
    Und das Monster wurde immer stärker. In einigen Tagen würde es wieder über ihn herfallen, und dieses Mal vielleicht nicht von ihm ablassen.
    Was habe ich falsch gemacht?
    Darauf fand sie keine Antwort. Und das würde sie auch nicht, nicht hier, wo sie jede Stunde an ihr Versagen erinnert wurde. Sie musste mit jemandem reden, egal wem, nur mit jemandem, der nicht wusste, was sie war. Sie musste sich selbst daran erinnern, dass es noch andere Wesen auf der Welt gab, die nicht nur von Angst oder dem Drang zu zerstören angetrieben wurden.
    Es gab nur einen Ort, an den sie gehen konnte.
    Als die Sonne begann unterzugehen, war Gwen fertig. Sie hatte einen bunten Stufenrock angezogen und eine weiße Baumwollbluse, die sie beide von einer alten Frau im Dorf gekauft hatte, als sie und Dorian

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