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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Krinard
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dass das unmöglich war. Keiner von ihnen konnte eine längere Trennung ertragen. Im Moment spürte sie nur leichtes Unbehagen, aber sie wusste instinktiv, dass noch Schlimmeres auf sie wartete.
    Ja, Dorian würde zurückkehren. Und dann würde sie keinen Frieden mehr finden, bis sie das Heilmittel endlich bekommen hätte.
    Ein Tag verging, dann zwei. Dorian blieb fort. Gwen begann zu glauben, dass er sich von ihr fernhalten würde, bis Neumond vorüber war. Manchmal glaubte sie, ein Ziehen in ihrem Herzen zu spüren, als ob sie das Echo seiner Gefühle auffing. Aber sie konnte ein Gefühl nicht vom anderen unterscheiden. Und selbst aus einer unschätzbaren Distanz wagte sie es nicht, ihn vermuten zu lassen, was sie eigentlich vorhatte.
    Da Gwen keine Ruhe finden konnte, stöberte sie rastlos durch die Bücher, die ihr Vater auf den Regalen der
Casa
zurückgelassen hatte. Sie hatte bereits ein Dutzend von ihnen gelesen, von Vogelkunde bis zur Geschichte Chinas, aber jetzt brauchte sie etwas anderes. Sie brauchte eine Quelle des Trostes.
    Es war keine zu finden. Eamon Murphy war nie jemand gewesen, der sich für Philosophie oder Spiritualismus interessierte. In der dritten Nacht seit Dorians Verschwinden begann Gwen, immer frustrierter eines nach dem anderen die Bücher aus dem Regal zu nehmen. Sie hatte fast aufgegeben, als sie hinter zwei Bänden von Gibbons
Verfall und Untergang des Römischen Reiches
eine Holztafel fand.
    Neugierig zog Gwen die Bücher aus dem Regal und fuhr mit den Fingern über die Holzverkleidung. Auf einer Seite gab es eine Art Knauf. Sie zog daran, und die Verkleidung öffnete sich. Dahinter befand sich ein kleines Fach, das in die Lehmwand der
Casa
eingebaut war.
    In diesem Fach befand sich ein weiteres Buch. Gwen zog es heraus. Es war kleiner als die meisten Bücher in der Sammlung ihres Vaters, und sie spürte, dass es wesentlich älter sein musste. Das Buch war offensichtlich handgefertigt und in abgegriffenes Leder gebunden. In den Deckel war eine goldene Abbildung eingelassen, ein Bild, das sie schon vorher irgendwo gesehen hatte.
    Ein Dreieck und eine Flamme. Das gleiche Bild, das in dem Zimmer gehangen hatte, das man ihr bei ihrem kurzen Aufenthalt bei Pax zugewiesen hatte.
    Ein Dutzend Gedanken rasten gleichzeitig durch Gwens Kopf. Was machte ein Buch, das irgendwie mit Pax zu tun hatte, in der Sammlung ihres Vaters? Als sie es aufschlug, waren ihre Finger vor Aufregung ungeschickt. Die erste Seite war auf den dritten März 1828 datiert.
    “Mein Name ist Micah”, begann der grob gedruckte Text.
    Micah.
Natürlich.
Hatte Vida ihr nicht gesagt, dass er der Gründer von Pax war, der Mann, der Vergebung und Bruderschaft zwischen Menschen und Vampiren lehrte?
    Sie las weiter:
    Mit diesem Namen wurde ich nicht geboren. Jener Name ist nicht länger von Bedeutung, denn ich habe ihn mit meiner Menschlichkeit hinter mir gelassen.
    Ich werde nichts verbergen vor dem, der diese Geschichte liest, die Geschichte meiner Verdammnis und meiner Suche nach Erlösung. Mein Glauben sagt mir, dass ein Tag kommen wird, da die Welt von meiner Art erfährt, und es wird Frieden herrschen zwischen Mensch und Vampir. Diese Zeit ist noch nicht gekommen. Aber dieses Buch wird seinen Weg finden in die Hände derer, die fähiger sind als ich, und diese Worte werden einen Mann dazu erwecken, zu vollenden, was ich nur begonnen habe.
    Gwen ging langsam zurück zu ihrem Schaukelstuhl und setzte sich. Diese Memoiren, vor fast hundert Jahren geschrieben, zogen sie magisch an. Sie las weiter von dem sanften, empfindsamen Jungen, der in einer liebenden Familie aufgewachsen war; von einem Wanderprediger, dessen tiefer Glauben ihm Halt gegeben hatte, während er von Ort zu Ort, von Dorf zu Dorf zog und das Wort Gottes zu den Menschen brachte, die im Grenzland von Kentucky ein neues Leben zu beginnen versuchten. Micah beschrieb die Nacht seiner Umwandlung durch einen Wanderer, den er an einem einsamen Abend auf der Straße getroffen hatte, so detailliert, dass sie ein kalter Schauer überlief.
    Als ich meine Sinne wiedererlangte, war die Welt verändert. Meine Augen waren denen eines Wolfes bei Nacht gleich, mein Gehör war wie das eines Panthers, meine Stärke glich der Samsons. Und in mir tobte ein grausamer Durst.
    Es war niemand da, um mich zu lehren, aber ich lernte. Und so begann mein Abstieg.
    Gwen lehnte sich tiefer in ihren Stuhl zurück. Es war, als ob Micah zu ihr sprach, als er die bitteren und schamhaften

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