Die dunkle Macht des Mondes
in seinem Stuhl zurück. “Und welcher von ihnen ist es?”
“Dorian Black, Meister.”
“Ah, ja. Ich habe von ihm gehört. Wie sind er und Miss Murphy sich begegnet?”
“Unsere Informanten haben berichtet, dass er sie vor dem Ertrinken gerettet hat.”
“Wie ist es dazu gekommen?”
“Sie wurde angegriffen. Einige junge Männer wurden beobachtet, wie sie den Steg fluchtartig verließen.”
Sammael schüttelte den Kopf. “Der Herr hat bestimmt, dass die Menschen die Erde erben sollen, egal wie unwürdig sie unsereinem erscheinen mögen.” Er nahm seinen Stift und rollte ihn zwischen seinen Fingern. “Mein Eindruck von dem Vollstrecker war, dass er sich nicht mit Sterblichen einlassen wollte.”
“Er hat sie in seine Behausung mitgenommen. Sie hat sie unbeschadet wieder verlassen.”
“Er hat sie nicht umgewandelt?”
“Es war nicht genug Zeit und immer noch helllichter Tag, als sie gegangen ist.”
“Ah.” Sammael machte eine Handbewegung. “Solange Black isoliert bleibt, interessiert er uns nicht. Aber sollte er das Mädchen noch einmal treffen …”
“Verstanden, Meister.”
“Was ist mit Miss Murphys Recherchen?”
“Sie scheinen nicht vorwärtszukommen”, sagte der Wachposten, “wir glauben, dass sie am Flussufer jemanden treffen wollte, derjenige aber nicht erschienen ist.”
Sammael legte seinen Stift ab. “Vielleicht bleibt sie wirklich so unbedeutend wie ihr Vater, aber dennoch sollten wir ihrem Apartment noch einen Besuch abstatten. Es ist immer möglich, dass beim ersten Mal etwas übersehen wurde. Und geht auf Nummer sicher. Gebt ihr keinen Grund, Verdacht zu schöpfen.”
“Wie Ihr befehlt, Meister.” Der Wachposten verbeugte sich erneut und zog sich zurück. Er zog die Tür leise hinter sich zu.
Sammael beugte sich über das Buch, doch in seinem Kopf begann ein pochender Schmerz. Miss Murphy war im Moment nur eine kleine Sorge, aber sie und Hewitt wären vollkommen harmlos gewesen, wenn nicht Sammael selbst den Fehler gemacht hätte, die Leichen in einem Zustand zurückzulassen, der so viele Fragen aufwarf. Und es war nicht sein erster Fehler gewesen. Er hatte es auch nicht geschafft, das Original des Buches sicher aufzubewahren, und nun war es nicht mehr in seinen Händen. Aadon war tot, aber das Buch war immer noch verloren. Bis man es gefunden hätte, bestand große Gefahr, dass die Menschen und Zivilisten von Pax auf den falschen Pfad gerieten.
Sie dürfen nicht zweifeln. Sie dürfen niemals zweifeln.
Das brüchige Papier seufzte, als Sammael die Seiten vor sich glatt strich. Über die Hälfte von Micahs Schrift war bereits durchgestrichen und durch die Worte, die Sammael in seinen Visionen erfahren hatte, ersetzt worden. Einige Wochen noch, und sein Werk würde vollendet sein.
“Und diejenigen, die das Blut des Menschen gekostet haben, sollen sterben”, schrieb er vorsichtig über Micahs geschwärzte Reihen. “So steht es geschrieben. So soll es geschehen.”
3. KAPITEL
D orian konnte ihre Anwesenheit spüren, noch ehe er an die Tür des Lagerhauses getreten war.
Das Sonnenlicht schlug in ihrem lockigen roten Haar Funken, als Gwen Murphy über den Pier spaziert kam. Über einem Arm trug sie einen Korb, aus dem weißes Leinen quoll. Ihr blasses Gesicht sah entschlossen aus, als bereitete sie sich auf einen mehr als kühlen Empfang vor.
Wenn Dorian auch nur noch einen Bruchteil seines Verstandes besessen hätte, er hätte einen Weg gefunden, zu verschwinden. Aber der Sonnenuntergang war nur noch Stunden entfernt, und er war es nicht gewohnt, sich im Angesicht des Feindes zurückzuziehen.
Denn sie
war
der Feind, und er wagte es nicht, das zu vergessen.
Er trat zurück in die Dunkelheit und wartete ab.
“Mr. Black?” Gwens Absätze klickten auf dem Boden des Lagerhauses, während sie zu Dorians Ecke ging. “Sind Sie da?”
“Miss Murphy”, sagte er.
Sie zuckte zusammen. Sein plötzliches Auftauchen hatte sie erschreckt. “Mr. Black. Dorian.” Sie sah ihm neugierig und für einen Moment misstrauisch in die Augen. Dorian bemerkte, dass ihre Wimpern dunkler als ihre Haare waren und ihre grünen Augen perfekt umrahmten.
Seine verräterischen Gedanken waren fast sein Untergang. Er wendete seinen Blick von ihr ab und hielt sich noch einmal alle Argumente vor, die er seit dem Morgen zuvor zusammengetragen hatte.
Sie waren so gut wie nutzlos. Er war bereits aufs Neue verzaubert und kämpfte gegen das überwältigende Bedürfnis an, sie zu
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