Die dunkle Macht des Mondes
denken.
Etwas stimmte nicht.
Mitch kannte Gwen … ihren Gang, ihre Art zu sprechen, jeden ihrer Gesichtsausdrücke und alle ihre Launen. Sie war so leicht zu lesen wie eine Schlagzeile und ein Versager, wenn es darum ging, jemanden zu hintergehen. Er spürte in der leichten Steifheit ihres Körpers, dass sie nicht ganz anwesend war, dort bei ihm auf der Tanzfläche.
Da war ein anderer. Und er wusste nicht, wer dieser andere sein konnte.
Nach dem Dinner war er es, der meinte, dass sie beide eine Menge Schlaf nachzuholen hätten. Gwen widersprach ihm nicht. Sie sah sogar erleichtert aus, und ihr schlanker Körper entspannte sich, als ob ein schweres Gewicht von ihren Schultern genommen wäre.
Mitch begleitete sie an den Straßenrand, gab dem Parkservice Trinkgeld und fuhr Gwen heim. Sie sprach kaum ein Wort. Ihre Gedanken waren bei diesem anderen, und Mitch konnte seine Wut kaum zügeln. Wenn er sie jetzt darauf ansprach, würde sie sich nur mit einer frechen Bemerkung zurückziehen und in noch tieferes Schweigen versinken. Sie war offener als die meisten Frauen, aber sie konnte genauso durchtrieben sein wie sie alle.
Gwen dankte ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange, als sie bei ihrem Apartmentgebäude vorfuhren. Er packte sie und küsste sie, ehe sie ihm entkommen konnte. Es dauerte einige Sekunden, bis ihre Lippen unter seinen weicher wurden, und sogar dann noch konnte er ihren Widerstand spüren. Die meisten Männer hätten es kaum bemerkt. Mitch sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
Er sah ihr nach, wie sie über den Bürgersteig ging und ihre Lobby betrat. Der verführerische Schwung ihrer Hüften war ganz unbewusst, aber er machte ihn nur noch wütender. Jeder Mann würde sich an ihrer Figur erfreuen, die in dem scharlachroten Abendkleid aussah wie ein Glas Wein, das genossen werden will. Jeder Mann könnte sich vorstellen, mit ihr ins Bett zu gehen und diesen herrlichen Körper zu goutieren.
Bisher hatte es niemand, auch Mitch nicht, so weit geschafft. Und Mitch würde nicht zulassen, dass irgendein anderer Kerl in seinem Revier wilderte. Er hatte mehr als genug Geduld gehabt mit Gwens Spinnereien und ihren absonderlichen Einfällen: Sie brauchte Disziplin und Anleitung, und zwar von einem Mann, dem sie etwas bedeutete … einem Mann, der sich nicht von ihren verrückten Einfällen mitreißen ließ.
Wenn sie erst seine Frau war, dann würde sie sich ohnehin nicht mehr auf ihre Karriere verlassen müssen, um Erfüllung zu finden.
Du weißt nicht, was gut für dich ist, Guinevere, dachte er, aber ich werde es dir beibringen.
Und du wirst lernen, an diesen Lektionen Freude zu haben.
4. KAPITEL
U m drei Uhr nachmittags war Dorian klar, dass Walter nicht länger warten konnte. Das Fieber brachte seinen Körper zum Zittern, und sein Puls hämmerte wie wild unter seiner fast durchsichtigen Haut. Er wollte das Wasser, das Dorian ihm anbot, nicht länger trinken, und seine Lippen waren wie Pergament.
Nur ein menschlicher Arzt konnte sich jetzt noch um ihn kümmern.
Dorian warf sich seinen langen Mantel über, setzte seinen Hut auf, wickelte einen Schal um seinen Hals und seine untere Gesichtshälfte und war froh, dass das kühle Wetter seine Kleidung weniger auffallen ließ. Er legte Walter seine saubersten Decken um und hob den alten Mann in seine Arme. Walter bestand nur aus Knochen und Sehnen, er wog kaum mehr als ein Kind.
Das nächste Krankenhaus war ein Dutzend Blocks entfernt. Dorian hatte nicht genug Geld für ein Taxi, aber er konnte sich sehr schnell bewegen, wenn es nötig war.
Hafenarbeiter und Handlanger drehten sich um und starrten ihm nach, als er an ihnen vorbeirannte. Er wich einem schwerfälligen Pritschenwagen aus, dessen Fahrer ihn lauthals verfluchte. Er hätte Gwen vielleicht nie bemerkt, wenn er sie nicht ganz plötzlich durch seine Sorge hindurch gespürt hätte.
“Dorian!”
Er wurde langsamer und fragte sich, ob er sie ignorieren sollte oder nicht. Gwen war bis zum Kinn mit Paketen beladen, und ihr Gesicht nur ein verschwommener, blasser Fleck darüber. Sie war eine Ablenkung, die er sich nicht leisten konnte, und der Neumond war nur noch einige Stunden entfernt. Aber sie hatte Geld und konnte für ein Taxi bezahlen, und Dorian zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie Walter ebenso helfen wollte wie er.
Gwen rannte zu ihm, als er endlich anhielt. “Was ist los?”, fragte sie sofort und sah in Walters Gesicht. “Ist er krank?”
“Ja.” Dorian fühlte,
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