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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes
Autoren: Susan Krinard
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dröhnte, und seine Beine trugen ihn kaum auf die Straße.
    Nur die Verzweiflung ließ ihn ein Taxi rufen, statt zu Fuß zurück ans Flussufer zu gehen. Die Sonne ging bereits unter, als er das Lagerhaus erreichte. Sein Atem fühlte sich scharf an in seiner Brust, und sein Puls klopfte wie wild in seinen Schläfen.
    Seine einzige Hoffnung bestand darin, sich im Lagerhaus zu verstecken und gegen den Hunger und die Gewalt anzukämpfen. Wenn die Nacht vorüber war, konnte er sich die Nahrung, die er brauchte, suchen, nicht vorher. Nicht, wenn das Risiko bestand, dass er jemanden umbrachte.
    Die Lagerhaustür brach fast aus ihren Angeln. Er schlug sie zu, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht aufhalten würde, wenn er sich doch entschloss, das Lagerhaus zu verlassen. Der Effekt war rein psychologisch, und er brauchte jeden Vorteil, dessen er habhaft werden konnte.
    Draußen nahmen die Geräusche menschlicher Aktivitäten ab. Er ging auf seine Ecke zu. Jeder seiner Schritte war durch seine überschüssige Energie ungelenk. Sein Blick wurde schärfer. Seine Haut spürte jeden Luftzug.
    Halb stolpernd eilte er an den Kisten vorbei in sein improvisiertes Versteck. Einen Augenblick später merkte er, dass er nicht allein war.
    “Hallo, Dorian.”
    Javier löste sich von der Wand. Hinter seinen schwarzen Augen flackerte rotes Licht. Er trug einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug, und sein hübsches Gesicht zierte ein unangenehmes Lächeln.
    Dorian schloss seine Augen. Heute Nacht würde er also keinen Frieden finden.
    “Javier”, sagte er, seine Stimme kaum lauter als ein Krächzen, “wie hast du mich gefunden?”
    Der Vollstrecker zog eine silberne Schachtel aus einer Innentasche und klopfte eine Zigarette heraus. “Es hat etwas Mühe gekostet”, sagte er, “aber ich habe nie daran gezweifelt, dass du in die Stadt zurückkehrst.”
    Dorian tastete hinter sich und ließ sich auf eine niedrige Holzkiste sinken. “Du hast einen Fehler gemacht.”
    “Ja, ich wette, ich bin der Letzte, den du sehen willst.” Javier drückte die Zigarette zwischen seine Lippen. “Hast du wirklich geglaubt, dass du damit durchkommst?”
    Dorians Haut begann zu brennen. “Du solltest besser verschwinden, Javier.”
    “Warum?” Der andere Mann zog ein Feuerzeug hervor und steckte seine Zigarette an. “Glaubst du, ich lasse dich gehen?” Er blies Rauch in Dorians Richtung und nahm einen weiteren Zug. “Du hast mich hintergangen. Du hättest Chase erschießen sollen. Du hast es vermasselt. Und als ich versucht habe, deinen Job zu erledigen …”
    Er musste den Satz nicht beenden. Dorian erinnerte sich an jeden Augenblick dieser Nacht vor drei Monaten … der Nacht, in der er beauftragt worden war, Allegra Chase umzubringen, den einzigen Vampir, der den Mut und die Entschlossenheit aufgebracht hatte, sich gegen Raouls tyrannische Handhabe des Clans aufzulehnen. In derselben Nacht hatte er gemerkt, dass Raouls Überleben die wenigen wirklich Guten, die er je im Leben gekannt hatte, endgültig vernichten würde.
    Javier, der zwei Jahre lang sein Partner gewesen war, hatte keine Hemmungen dabei gehabt, Raoul zu gehorchen und Allegra umzubringen. Er hatte das Gewehr, dass Dorian fallen gelassen hatte, genommen und hätte eine Kugel durch Allegras Gehirn gejagt, wenn Dorian ihn nicht zuerst erwischt hätte. Aber Dorian hatte Javier am Leben gelassen. Und Javier hatte ihn mit der Waffe in der Hand gesehen, Sekunden, nachdem Raoul zusammengebrochen war.
    “Nach allem, was Raoul für dich getan hat”, sagte Javier und stieß noch eine Rauchwolke aus, “hast du ihn umgebracht. Du hast den Clan ohne Anführer zurückgelassen.” Er warf seine halb gerauchte Zigarette auf den Boden. “Deinetwegen haben die
Strigoi
Krieg. Und alles für eine Frau.”
    Das Feuer, das unter Dorians Haut leckte, arbeitete sich höher und durchdrang langsam sein Gehirn. “Sie – und andere wie sie – werden für unsere Art die Erlösung sein.”
    Javier lachte. “Mach mir nichts vor. Du bist weich geworden, Dorian.” Er trat auf seine abgelegte Zigarette und verarbeitete sie zu Staub. “Wie ist es passiert? Du hast gute Arbeit geleistet, bis diese Schlampe Allegra aufgetaucht ist.”
    Oh, ja. Er war gut gewesen. Gut genug, dass sein Anblick allein in jedem Sterblichen oder Vampir, der Raoul Boucher in die Quere kam, Angst und Schrecken auslöste.
    Und er war loyal gewesen. Ohne Fragen zu stellen. Aber im Gegensatz zu Javier hatte Gewalt ihm nie Freude
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